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[§9]
schaftliche Angelegenheiten bekämpften. Sie hat die Gesetzgebung
Preußens und Deutschlands vom Ende der fünfziger bis in die
zweite Hälfte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wesent¬
lich beeinflußt, und ist noch heute in England herrschend. Gegen¬
über den mehr kosmopolitischen Gedanken Smiths bildete sich das
Schutzzollsystem, das in gemäßigter Form gegenwärtig in den meisten
Kulturstaaten bevorzugt wird. In Deutschland brach ihm Friedrich
List (1789—1846) mit seinem Buche „Das nationale System der
Politischen Ökonomie" (1844). Bahn (vgl. § 15 c). Daneben ent¬
wickelte sich seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts der
Sozialismus (vgl. 8 66). Gleichfalls zu dieser Zeit entstand die
historische Schule, deren ursprüngliche Führer Roscher (1817—1894)
und Knies (1821—1898) waren. Diese lehrte, day keine unbedingt
gültigen volkswirtschaftlichen Lehren bestünden, sie sich vielmehr stets
aus die augenblicklich gegebenen tatsächlichen wirtschaftlichen Verhält¬
nisse, wie sie in der Vergangenheit ihre llrsache hatten, gründen
müßten. Daraus entwickelte sich die gegenwärtig in der Volkswirt¬
schaftslehre zumeist maßgebende realistische Richtung, welche, aller
Spekulation feind, allein aus der Erfahrung (Empirie) und Geschichte
beruht, und ein maßvolles Eingreifen des Staates befürwortet. Die
Hauptmeister der Gegenwart sind am Schluß dieses Werkes genannt
(§ 56). In der Staatslehre des 19. Jahrhunderts haben lange eine
große Rolle die Gedanken Hegels (1770—1831) und Stahls (1802
bis 1861) gespielt. Hegel sah im Staat die Wirklichkeit der sittlichen
Idee, den er darum für omnipotent hielt. Er knüpft an die kultur¬
fördernde Tätigkeit des preußischen Staates an, und erklärte unter
Würdigung des geschichtlich Gewordenen, das Seiende für vernünftig.
Gegenüber dem Staat ist dann die bürgerliche Gesellschaft, deren
Begriff er zum ersten Male feststellte, das Unvollkommene. Stahl
dagegen gründet den Staatsbegriff aus christliche Weltanschauung
und wurde dadurch zum wissenschaftlichen Vertreter des Konserva¬
tivismus (vgl. 8 96). Von weitgehender Wirkung waren dann
die Forschungen von Mohl (1799—1875), Bluntschli (1808—1881)
und Gneist (1816—1895). Über die Gegenwart gibt der Schluß
des Buches (8 56) Auskunft.
§ 9. Der Staatsbegriff.
a) Wesen und Zweck. Man hat versucht, den Staat auf
verschiedene Weise zu erkennen, die objektive betrachtet ihn nur
physisch von außen, während die subjektive auf psychischem Wege,
der die innermenschlichen Beziehungen erforscht, vorgeht. Der Staat
ist vom rein objektiven Standpunkte aus als Tatsache, als Zustand
erklärt, auch mit einem seiner Bestandteile, nämlich dem Volke oder
dem Herrscher oder überhaupt mit der Obrigkeit identifiziert, d. h.
gleicherachtet worden, die subjektive Auffassung dagegen sah ihn als