Full text: Staats- und Bürgerkunde

3m Urkundenprozetz, z. B. Wechselprozest, kann geklagt werden 
beim Gericht des Zahlungsortes oder bei dem Gerichte, bei wel¬ 
chem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 
Wenn mehrere Wechselverpflichtete gemeinsam verklagt wer¬ 
den. so ist anher dem Gericht des Zahlungsortes jedes Gericht zu¬ 
ständig. bei welchem einer der Beklagten seinen allgemeinen 
Gerichtsstand hat. 
Haben mehrere Personen, welche bei verschiedenen Gerichten 
ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, einen Rechtsstreit, so be¬ 
stimmt das nächsthöhere Gericht, welches das zuständige Gericht 
sein soll. 
Kämen Gerichte verschiedener Bundesstaaten, die nicht ein 
gemeinsames Oberlandesgericht haben, in Frage, etwa Naumburg 
(Preußen) und Jena (Weimar), so bestimmt das Reichsgericht 
das für die Verhandlung zuständige Gericht. 
143. Gerichtliche Hilfe. 
Der Sattlermeister Lehmann in Burgstädt war mit dem Ab¬ 
schlüsse seines Hauptbuches beschäftigt. Als er zu dem Konto 27 
kam, warf er ärgerlich den Halter aus der Hand und ging erregt 
in feinem Zimmer auf und ab. Auf Konto 27 stand nämlich der 
Fabrikarbeiter E. Scholz aus Hartmannsdorf, dem er am 12. Sep¬ 
tember 1899 ein neues Sofa zum Preise von 120 Mk. gegen Rech¬ 
nung geliefert hatte. Der Käufer hatte zwar versprochen, die 
Rechnung nach vier Monaten zu begleichen, aber sein Versprechen 
nicht gehalten. Der Sattlermeister hatte ihn daraufhin durch 
Übersendung einer neuen Rechnung an seine Verbindlichkeiten ge¬ 
mahnt und in höflicher Weise um Bezahlung gebeten. Auch ein 
zweiter Mahnbrief, in dem der Sattlermeister dem Fabrikarbeiter 
gedroht hatte, die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen, war 
ohne Erfolg geblieben. Ebenso hatte der Versuch, durch einen 
Postauftrag den Geldbetrag einzuziehen, nicht zum Ziele geführt: 
denn der Fabrikarbeiter hatte die Annahme des Postauftrags ver¬ 
weigert. Seitdem waren nun wieder einige Wochen ins Land ge¬ 
gangen, und beim Abschlüsse seines Hauptbuches wurde der 
Sattlermeister wieder an den säumigen Zahler erinnert. „Es ist 
die höchste Zeit, daß ich die Angelegenheit weiter verfolge; denn 
in einem halben Jahre wird die Schuld verjährt sein, und ich habe 
dann das Nachsehen." Sofort setzte sich daher der Sattlermeister 
R. Lehmann hin und machte an das Kgl. Amtsgericht zu Burg¬ 
städt, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hatte, folgende 
Eingabe: 
An das Kgl. Amtsgericht zu Burgstädt. 
_ Der Fabrikarbeiter G. Scholz in Hartmannsdorf, Limbacher 
^kratze 16, schuldet mir laut beiliegender Rechnung für ein ihm am
	        
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