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ihnen das volle Verständnis dafür auf, daß die Gegenwart ein
Produkt der Vergangenheit ist, daß es überall geht durch stampf
zum Sieg, vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Guten
zum Bessern, daß „die gute alte Zeit" doch eine Größe von zweifel¬
haftem Werte ist.
Daher können wir uns in der Bürgerkunde nicht nur auf die
Erklärung der gesellschaftlichen und staatlichen kreise, ihrer Ver¬
fassungen und Einrichtungen beschränken, sondern wir müssen not¬
wendig unsere wirtschaftlichen Verhältnisse in den 5lrets der Be¬
trachtung ziehen; sie bilden die Probe auf das Exempel unserer
staatlichen Wirksamkeit. Sie sind die Summe der Arbeit, welche
Volksfreiheit im Vereine mit der Staatsregierung leisten zur För¬
derung unseres Wohlseins, unserer Sicherheit und unserer vater¬
ländischen Entwicklung. Nur in dieser Verflechtung können wir
den innigen Zusammenhang zwischen vorbildlicher und gewissen¬
hafter Fürsorge des Fürsten und seiner Regierung und der treuen
Arbeit des zur Gesetzgebung und Verwaltung mitberufenen Volkes
zeigen. Je weiter diese Einsicht wächst, desto mehr wird unser Volk
politisch mündig. Einsicht gebiert Interesse, und Interesse ist
immer selbsttätig. Es regt zur Arbeit an, und in diesem Falle zur
Mitarbeit an dem Gedeihen unserer Nation. Der Stimmzettel in
der Hand jedes Bürgers ist ein Ehrenmal, das aber auch zu treuer,
ernster Mitarbeit im Sinne unserer Staatsregierung und Staats¬
entwicklung verpflichtet.
In diesem Sinne wird die staatsbürgerliche Erziehung eine Er¬
ziehung zur Gesinnung, und zwar zu einer Vaterlands- und königs¬
treuen. Liebe zu unserm Fürstenhause in seiner selbstlosen Für¬
sorge für des Landes Wohl, Liebe zu unserm Vaterlande, das
sich in so frischer Entwicklung befindet, wird in die jugendlichen
Herzen gesenkt, und es muß unser Ziel sein und bleiben, in den
Herzen der jungen angehenden Bürger ein Verantwortlichkeits¬
gefühl und ein Pflichtbewußtsein zu erwecken, das nicht allein in
guten Tagen treu ist, sondern auch in schweren die Fahne des
Vaterlandes nicht verläßt.
Wir werden um so eher auf unsere jungen Leute einwirken
können, wenn wir ihre persönlichen und beruflichen Verhältnisse
unter diesem Gesichtswinkel in diesen Kreis unserer Betrachtungen
hineinziehen, so daß der bisher sogenannte „allgemein berufliche"
Unterricht im Rahmen der Bürkerkunde seinen Platz findet.
Denn „das letzte Ziel", um mit Kerschensteiner zu reden,
„muß die staatsbürgerliche Erziehung sein, die allerdings
mit und durch die berufliche am besten gefördert werden kann.
Nur wenn unsere öffentlichen Schul- und Erziehungseinrichtungen
dieses letzte Ziel unverrückt im Auge behalten und mit allen
Mitteln zu erreichen streben, wird der moderne Staat die schweren
Krankheiten überstehen, die, aus seinem eigensten Wesen geboren,
ihn heute gefährden, wird er in Wahrheit das werden, was er so
gern sein möchte: ein homogener Kulturstaat."