Full text: Von der Zerstörung des zweiten Tempels bis zum Ende des Gaonats (Teil 2, [Schülerband])

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Tempel anbetend auf das Antlitz fiel und ausrief: „Hochgepriesen sei 
der Name der Herrlichkeit seines Reiches immer und ewig!" Dieser 
Vorgang ist in breiter Schilderung dargestellt worden, damit sich die 
Gemeinde wenigstens an dem Berichte vom heiligen Dienste ") erbauen 
könne. Die kurzen Gebete, die der Hohepriester in der Vorhalle und 
im Allerheiligsten sprach, sind nach der Darstellung der Mischnah wörtlich 
wiedergegeben, und bei der Erwähnung des heiligsten Momentes fällt 
noch heute die andächtige Gemeinde auf das Angesicht. 
Die Litaneien. Als ein vortreffliches Mittel, ' einen lebhaft und 
tief empfundenen Gedanken der Gesamtheit wiederzugeben, erwies sich 
die refrainartige Wiederholung eines Ausdrucks mit einem wechselnden 
Zusaß. So läßt der Dichter zum Beispiel die Gemeinde ihr Gefühl 
ausströmen in den Worten: „Unser Vater, unser König ?)!“ und gießt 
lichtvolle Erkenntnis über das Thema aus, indem er es in seiner ganzen 
Vielseitigkeit ausführt. Derartige Dichtungen, die je nach Gebrauch 
und Sitte abwechselnd vom Vorbeter und der Gemeinde vorgetragen 
werden, nennen wir Litaneien?). 
Der häusliche Gottesdienst, besonders der Seder-Abend. Dieselbe 
liebevolle Pflege wie der öffentliche fand auch der häusliche Gottes- 
dienst. Wir haben schon während des vorigen Zeitraums die Segens- 
sprüche und Gebete, die das häusliche Leben der Israeliten schmückten, 
in der Grundanlage kennen gelernt. In der nachtalmudischen Zeit 
wurde noch mehr jeglicher Anlaß, das Leben im Hause zu weihen, 
wahrgenommen, denn schon damals war Friede und Freude für den 
Juden fast nur im Schoße der Familie zu finden. Besonders freundlich 
stattete man das Fest der Erlösung, das Peßachf est, aus, ein Sinn- 
bild der Freiheit, die man in der Zukunft wiederum so sehnsüchtig er- 
hoffte. Gemäß der biblischen Vorschrift: „Sag' es deinem Sohne!" 
waren schon zur Zeit der Mischnah die das kindliche Gemüt anregenden 
Fragen) für den häuslichen Gebrauch in der noch heute üblichen Form 
entworfen und festgestelt. Jetzt wurde der Bericht, der jene Fragen 
zu lösen bestimmt ist, erweitert und mit neuen Erklärungen ausgestattet. 
Nach der Erzählung vom Auszug aus Ägypten stimmte man zur Er- 
innerung an das Tempelritual die Hallel-Psalmen (Pf. 113—118) an 
und aß vor der Mahlzeit von den Speisen, die symbolissch auf die 
bitteren Tage der Knechtschaft, auf die schwere Fronarbeit und den 
1) MTI, ~ 2) 139919 1I8 — ) Die schöne Litanei über das Thema: „O 
hilf doch!“ (KP "i), welche am Hüttenfesste beim Umzug mit dem Feststrauße ge- 
sungen wird, ist eine derartige poetische Einschiebung, die in der Anlage vi elleicht 
schon aus dem Tempelritual stammt. 
4) M3W’3 td Vergl. I, S. 77.
	        
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