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Das frühe Veilchen.
Ei Veilchen, liebes Veilchen,
So sag doch einmal an:
Warum gehst du ein Weilchen
Den Blumen all voran?
Weil ich bin gar so kleine,
Drum komm' ich vor dem Mai;
Denn käm' ich nicht alleine,
So gingt ihr mir vorbei.
__ Schutts.
Dem kleinen Veilchen gleich,
Das im Verborgnen blüht,
Sei immer fromm und gut,
Auch wenn es niemand sieht. (—)
Das Veilchen.
Veilchen unter Gras versteckt,
Wie mit Hoffnung zugedeckt;
Veilchen, freue dich mit mir,
Sonne kommt ja auch zu dir.
Sonne scheint mit hellem Schein
Tief dir in dein Herz hinein,
Trocknet deine Thräne dir,
Veilchen, freue dich mit mir.
Hoffinaim v. Fallcrslcl'cn.
Blau-Veilchen.
Ein kleines Blau-Veilchen
Stand eben erst ein Weilchen
Unten im Thal am Bach,
Da dacht' es einmal nach
Und sprach:
„Daß ich hier unten blüh',
Lohnt sich kaum der Müh',
Muß mich überall bücken
Und drücken,
Bin so ins Niedre gestellt,
Sehe gar nichts von der Welt.
Drum wär es ganz gescheit gethan,
Ich stieg ein bischen höher hinan."—
Und wie gesagt, so gethan.
Aus dem Wiesenland
Mit eigener Hand
Zieht es ein Beinchen nach dem
andern
Und bcgiebt sich aufs Wandern.
„Drüben der Hügel wär' mir
schon recht,
Wenn ich den erreichen möcht',
Könnt' ich ein Stückchen weiter
sehn;
Dahin will ich gehn."
Und so im behenden Lauf
Steigt das Veilchen den Hügel
hinauf,
Pflanzt sich dort oben ein
Im schönsten Sonnenschein.
Kaum aber hat es hier einen Tag
gestanden,
Meint es: „Von allen Landen
Sieht man hier oben kein großes
Stück,
Man hat keinen freien Blick;
Aber aus jenem Berge dort,
Das wär' ein Ort,