146 /D/D Hans Mühlestein: Bulgariens Sterin /D/D/D/D
Weisheit, sowohl auf bulgarischer wie auf türkischer Seite,
hat hier eine Flurbereinigung ermöglicht, die jeden Zwang
zu künftiger kriegerischer Abrechnung endgültig aus der
Welt schafft. Bulgarien hat seine Grenze in Thrakien bis
5 vor die Tore Adrianopels geschoben, worüber hinaus selbst
die größten Zaren Altbulgariens, die ein tatsächliches Bal¬
kankaisertum vom Schwarzen bis zum Ägäischen und bis
zum Adriatischen Meere inne hatten, ihr Gebiet nie hinaus¬
streckten, obschon ihnen das stolze Byzanz tributpflichtig
10 war und obschon sie es gar oft selbst eroberten. Sie wichen
immer hinter Adrianopel zurück, sie mußten fühlen, daß
für sie hier fremder Boden war, daß der Besitz Konstanti¬
nopels sie aus dem Herzen des Balkans an seine Peripherie
hinaus gezogen hätte. Dasselbe gilt für das heutige und
15 für jedes künftige Bulgarien. Bulgarien hat also heute
im Osten die Fülle des Erreichbaren im Besitz, die geschicht¬
liche Auseinandersetzung mit der Türkei ist zu Ende gebracht
und damit die Grundlage gelegt für eine weltpolitische
Freundschaft zwischen Bulgarien und der Türkei, analog
20 derjenigen, die erst nach dem preußisch-österreichischen
Krieg von 1866 zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn
möglich, später wirklich und heute so mächtig und entschei¬
dend wurde.
Durch dieses großartige Werk der Rückendeckung im
25 Osten, durch das Bulgarien die diplomatische Führung auf
dem Balkan während des Weltkriegs an sich gerissen hat
und das in seiner ganzen Anlage eines Bismarck würdig
gewesen wäre, hat nun aber die bulgarische Nation freie
Hand bekommen, um sich mit voller Wucht nach dem Westen
30 zu wenden und damit die zweite Hälfte des Weges zu
ihrer balkangeschichtlichen Bestimmung zu beschreiten. Die
kühne Tat der Mobilisation, durch die sich Bulgarien zum
diplomatischen nun auch einen uneinholbaren militärischen
Vorfprung auf dem Balkan gesichert hat, kann einzig und
35 allein diesen Sinn haben - die einmütige nationale Be-