44 Fürst v. Bülow: Die Friedlichkeit der deutschen Weltpolitik.
geworden. Die deutsche Flotte entstand und entwickelte sich.
Die Zahl der großen Kriege, die seit 1870 ausgefochten
wurden, war eher größer denn geringer als früher in dem
gleichen Zeitraum. Deutschland hat die Teilnahme an
5 keinem gesucht und allen Versuchen, in kriegerische Ver¬
wicklungen hineingezogen zu werden, kühl widerstanden.
Ohne Ruhmredigkeit noch Übertreibung kann gesagt
werden, daß noch nie in der Geschichte eine Waffenmacht
von so überlegener Stärke wie die deutsche in gleichem
10 Maße der Erhaltung und Sicherung des Friedens gedient
hat. Mit unserer über jeden Zweifel erhabenen Friedens¬
liebe ist diese Tatsache nicht erklärt. Friedliebend ist der
Deutsche stets gewesen und hat doch wieder und wieder
zum Schwerte greifen müssen, weil er sich gegen fremden
15 Angriff zur Wehr setzen mußte. Tatsächlich ist der Friede
in erster Linie erhalten geblieben, nicht weil ein deutscher
Angriff auf andere Nationen unterblieb, sondern weil an¬
dere Nationen die deutsche Abwehr des etwaigen eigenen
Angriffs fürchteten. Die Stärke unserer Rüstung hat sich
20 als ein Schutz des Friedens erwiesen, wie ihn die letzten
bewegten Jahrhunderte nicht gekannt haben. Ein welt¬
geschichtliches Urteil liegt in dieser Tatsache.
Die Ergänzung unserer Wehrmacht durch die Flotte
bedeutet bei richtig geleiteter deutscher auswärtiger Politik
25 eine vermehrte und verstärkte Friedensgarantie. Wie die
Armee die mutwillige Störung der kontinental-politischen
Wege Deutschlands verhindert, so die Flotte die Störung
unserer weltpolitischen Entwicklung. Solange wir die Flotte
nicht hatten, waren unsere gewaltig anwachsenden welt-
30 wirtschaftlichen Interessen, die zugleich unveräußerliche
nationalwirtschaftliche Interessen sind, die freie Angriffs¬
fläche, die das Deutsche Reich seinen Widersachern bot.
Als wir diese Blöße deckten, den Angriff auf das Reich
auch zur See zu einem Wagnis für jeden Gegner machten,
35 schützten wir nicht nur den eigenen, sondern mit ihm den