Full text: Fürst Bismarck (Bd. 145)

Bũrgerbunde. 
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bezeichnen die Berufung durch Wahl, welche die Regel bildet, und drücken die Erwar- 
tung aus, daß der Gewählte sich im Sinne seiner Wähler verhalten werde. 
Das Reprâsentativprinzip hat nicht nur in der Verfassung der Staaten, sondern 
auch der Selbstverwaltungskörper (vgl. das XVIII. Kapitel) Anwendung gefunden. 
Es ist von grobher Wichtigkeit fiur die politische Erziehung des Volkes. Denn die Staats- 
bürger erhalten durch das aktive und passive Wahlrecht Einflußz auf die öffentlichen 
Angelegenheiten. Sie fühlen sich dadurch veranlabt, sieh mit ihnen vertraut zu machen 
und den Zweck der öffentlichen Einrichtungen und Mabnahmen kennen zu lernen. 
do geht ihnen allmählieh das Verständnis für den Staat und die Gemeéindeé auf und 
zie nehmen an ihnen jenen inneren Anteil, den vir als „Staatshürgerliche Gesinnung 
von joedem Mitglied des Gemeinwesens fordern. 
Zzwischen der Organisation der Parlamente und der obersten RKollegien der delbst· 
verwaltungskörper besteht unter anderem darin ein tiefgehender Unterschied, dab die 
ersteren nach dem Vorbilde des englischen Parlamentes zumeist aus zwei Kammern?““ 
—D 
ahber aus einer einzigen Kammer. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, 
spricht man von Einkammer- oder Zweikammersystem. Die erste 
Cammer hat einen aristokratischeren und daher konservativeren Charakter wie die 
aweite, die regolmäßig aus Wahlen hervorgeht. Darin, daß z2wei aus verschiedenen 
Elementen gebildete Kammern auf Grund getrennter Beratungen zu übereinstimmen⸗ 
den Beschlüssen gelangen, liegt eine Gewähr dafür, daß alle Fragen gründlieh erwogen 
und Ubereilungen vermieden werden. In politischer Hinsicht besitet in der Regel die 
weite Kammer das Ubergewicht. In ihr gelangt wegen der engeren Verbindung mit 
der Wahlerschaft die öfflentliche Meinung hesser zum Ausdruck. Ihren Mehrheits- 
parteien werden in den Staaten mit parlamentarischer Regierung die Minister ent- 
aommen; bei den Verhandlungen über das Budget und das Rekrutenkontingent hat 
sie die Vorhand. 
Der Parlamentarismus beruht auf dem Mehrheitsprinzip. Es besteht 
darin, datß bei den Wahlen und bei den Beschlüssen der Kammern und sonstigen Ver- 
tretungskörper der Wille der Mehrheit als der Gesamtwille gilt. Das ist kKein Unrecht 
gegen die Minderheit; denn sie kann dadurch, daß sie die affentliche Meinung für sich 
gewinnt und einen genügend großen Teil der Gegner zu ihrer Anschauung bekehrt, 
zur Mehrheit werden. Daher die grobe Bedeutung, weleche die öffentliche Meinung 
and die Mittel, durch welche sie gebildet und beeinflußt wird, in Konstitutionellen 
s8taaten haben. Doch kann das DdNehrheitsprinzip auch leicht zu unbilliger 
Unterdrückung der Minderheiten führen. Der Schutz der Minderheiten bei 
Wahlen und Ahstimmungen bildet daher ein ebenso wiehtiges wie schwieriges 
Problem. 
Aus dem Mohrheitsprinzip folgt weiter, daß die Zusammensetzung der Vertrotungs- 
körper dem gesellschaftlichen Gefüge der Gesamtheit möglichst entsprechen soll, deren 
Willen zu bilden sie berufen sind. Dies zu bewerkstelligen ist die Aufgabe der verschie- 
denen Wahls ystome. Je nach ihren politischen Absichten ziehen sie den KRreis 
der Wähler weiter oder enger und teilen den einzelnen Wählern gleichen oder
	        
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