84 Ausgewählte Reden des Fürsten v. Bismarck.
ungefähr in gleicher Linie stehen würde mit der andern,
wenn wir sagen würden, der Widerstand gegen unsere
Vorlage sei eingegeben von dem Wunsche, daß Deutschland
im nächsten Kriege nicht glücklich sein möge. Das steht
5 ungefähr auf derselben moralischen Höhe wie ihre Ver¬
dächtigungen — nicht Ihre, sondern die Preßverdächti-
gungen gegen die Absichten der Regierungen. Jene andere
Verdächtigung hat doch noch mehr Haltbarkeit, da sich
nicht leugnen läßt, daß es viele Einwohner Deutschlands
10 gibt, die das Deutsche Reich und seine Fortexistenz negieren.
Ein glaublicheres Motiv, daß die Regierungen und
namentlich die Vertreter des Kaisers ihre Pläne nicht ein¬
gestehen, könnte in der Richtung gesucht werden, daß eine
Verstärkung des deutschen Heeres etwa gewollt werde aus
15 denselben Gründen, aus denen mancher eroberungs- oder
kriegslustige Monarch eine starke Armee erstrebt hat,
nämlich in der Absicht, demnächst einen Krieg zu führen,
sei es um bestimmte Zwecke durchzusehen, sei es um
irgend etwas zu erobern, sei es des Prestiges und des
20 Bedürfnisses wegen, sich in die Angelegenheit anderer
Mächte vorwiegend einzumischen, also z. B. die orientalische
Frage von hier aus zu regulieren. Ich glaube aber, auch
dies wird als vollständig unbegründet gefunden werden
von dem, der darüber nachdenkt, wie friedliebend die
25 Politik des Kaisers bisher seit 16 Jahren gewesen ist. Es
ist ja wahr, der Kaiser hat sich genötigt gesehen, zwei große
Kriege zu führen, aber diese beiden Kriege waren ein uns
überkommenes zwingendes historisches Ergebnis früherer
Jahrhunderte. Sie werden die Tatsache nicht bestreiten,
30 daß der gordische Knoten, unter dessen Verschluß die natio¬
nalen Rechte der Deutschen lagen, das Recht, als große
Nation zu leben und zu atmen, nur durch das Schwert
gelöst werden konnte — leider, und daß auch der franzö¬
sische Krieg nur eine Vervollständigung der kriegerischen
35 Kämpfe bildete, durch welche die Herstellung der deutschen