Full text: Fürst Bismarck (Bd. 145)

84 Ausgewählte Reden des Fürsten v. Bismarck. 
ungefähr in gleicher Linie stehen würde mit der andern, 
wenn wir sagen würden, der Widerstand gegen unsere 
Vorlage sei eingegeben von dem Wunsche, daß Deutschland 
im nächsten Kriege nicht glücklich sein möge. Das steht 
5 ungefähr auf derselben moralischen Höhe wie ihre Ver¬ 
dächtigungen — nicht Ihre, sondern die Preßverdächti- 
gungen gegen die Absichten der Regierungen. Jene andere 
Verdächtigung hat doch noch mehr Haltbarkeit, da sich 
nicht leugnen läßt, daß es viele Einwohner Deutschlands 
10 gibt, die das Deutsche Reich und seine Fortexistenz negieren. 
Ein glaublicheres Motiv, daß die Regierungen und 
namentlich die Vertreter des Kaisers ihre Pläne nicht ein¬ 
gestehen, könnte in der Richtung gesucht werden, daß eine 
Verstärkung des deutschen Heeres etwa gewollt werde aus 
15 denselben Gründen, aus denen mancher eroberungs- oder 
kriegslustige Monarch eine starke Armee erstrebt hat, 
nämlich in der Absicht, demnächst einen Krieg zu führen, 
sei es um bestimmte Zwecke durchzusehen, sei es um 
irgend etwas zu erobern, sei es des Prestiges und des 
20 Bedürfnisses wegen, sich in die Angelegenheit anderer 
Mächte vorwiegend einzumischen, also z. B. die orientalische 
Frage von hier aus zu regulieren. Ich glaube aber, auch 
dies wird als vollständig unbegründet gefunden werden 
von dem, der darüber nachdenkt, wie friedliebend die 
25 Politik des Kaisers bisher seit 16 Jahren gewesen ist. Es 
ist ja wahr, der Kaiser hat sich genötigt gesehen, zwei große 
Kriege zu führen, aber diese beiden Kriege waren ein uns 
überkommenes zwingendes historisches Ergebnis früherer 
Jahrhunderte. Sie werden die Tatsache nicht bestreiten, 
30 daß der gordische Knoten, unter dessen Verschluß die natio¬ 
nalen Rechte der Deutschen lagen, das Recht, als große 
Nation zu leben und zu atmen, nur durch das Schwert 
gelöst werden konnte — leider, und daß auch der franzö¬ 
sische Krieg nur eine Vervollständigung der kriegerischen 
35 Kämpfe bildete, durch welche die Herstellung der deutschen
	        
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