3. Die deutsche Sozialreform
65
Die soziale wie die politische Revolution kam vorwiegend Bürgern und
Bauern zugute. In Preußen erfolgte die Emanzipation des Bürger- und IX> 148
Bauernstandes durch Stein und Hardenberg. Es bildete sich aber schon Qu. n, ™
ein vierter Stand, das Proletariats der nach Gleichberechtigung verlangte. Qu. i, 13
War Rousseau der Theoretiker des dritten Standes, so vertrat der Revolutions-
maun Babeuf, der Anwalt des vierten Standes, die Forderung der Gütergemein¬
schaft, der Arbeit für die Gesamtheit und die Gleichheit aller. Damit erscheint zum
ersten Male der Kommunismus in der Entwickelung des neuzeitlichen Europa.
Babeuf erstrebte die Verwirklichung seiner Lehre durch die Auflösung des Staates
unter Beseitigung der Städte in selbständige, kommunistisch organisierte ländliche Ge¬
meinden.
Eine sozialistische Richtung vertrat der Graf St. Simon (ch 1825)
und seine Anhänger.
Auf Grundlage des Christentums als einer Religion der Bruderliebe sollte die ix, 224
wirtschaftliche Tätigkeit durch eine Änderung der Rechtsordnung geändert werden.
Übergang von Boden und Kapital in den Besitz der Gesellschaft, Leitung der Pro¬
duktion durch die Gesellschaft waren die Ziele.
Louis Blanc (1839) beabsichtigte, die Lohnarbeit durch Erzeugungs-
(Produktiv)genossenschaften zu ersetzen, die voni Staat als dem größten
Unternehmer begründet und wettbewerbsfähig gemacht werden müßten, ix, 226
Die sozialistische Lehre der Gegenwart bildete sich in den vierziger Jahren
des 19. Jahrhunderts, als ein industrieller Arbeiterstand durch Maschinen- ix, 195
betrieb und Arbeitsteilung emporwuchs und unter seiner Fahne alle „prole¬
tarischen" Massen vereinigte. Diese Bewegung war in allen Staaten die
gleiche, und da die Arbeiterklasse überall dieselben Ziele verfolgte, so wurde
sie international. (Kommunistisches Manifest von Friedrich Engels in
London.)
3. Die deutsche Sozialreform.
a) Ferdinand Lassaltc. Karl Marx. August Bebel.
Ferdinand Lassalle forderte in Deutschland als erster Produktiv-ix, 234
genossenschaften mit Staatshilfe. Er wurde durch die Gründung des „All¬
gemeinen Deutschen Arbeitervereins" (1863) der Vater der deutschen Sozial¬
demokratie.
Das Mittel für die Erreichung der wirtschaftlichen Ziele sollte das allgemeine
gleiche Stimmrecht werden. Es sollte den Massen die Macht in die Hand geben und
den Staat im Sinne der arbeitenden Klassen umgestalten helfen.
Lassalle folgerte die Notwendigkeit einer Umgestaltung des Wirtschaftslebens aus
dem „ehernen Lohngesetz", wonach der Arbeiter durch das Überwiegen des An¬
gebotes von Arbeitskraft über die Nachfrage niemals mehr verdienen könne, als zur
Fristung des Lebens eben nötig sei.
Karl Marx dagegen meinte, daß die industrielle Reservearmee, die ix, 233
Arbeitslosen und Heranwachsenden, die Besserstellung der Arbeiter ver¬
hindere.
Die Entwicklung des Kapitalismus führe zur Vernichtung des Mittelstandes, zur
Anhäufung des Kapitals und der Produktionsmittel in den Händen weniger (der Ent-