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nicht vergönnt gewesen war, sich in seiner Jugend eine wissenschaftlich-
technische Bildung zu erwerben, sein Talent besiegte dennoch stets alle
Schwierigkeiten, ohne fehlzugreifen. Und außer diesem furchtbaren
Hammer erhob sich nun auch ein Riesenkamin von 230 Fuß Höhe
und 30 Fuß lichter Weite am Fuß, um den neuen Feuerungsanlagen
als Rauchfang zu dienen. Dieser Kamin, zu dessen Höhe eine außer¬
halb angebrachte gußeiserne Wendeltreppe hinaufführt, überragte mächtig
alle die anderen Schlote, die sich auf dem weiten Gebiet dieses Werk-
stätten-Kremls im Ruhrthal in die Lüfte hoben, schon von weitem
dem Besucher Essens ein Wahrzeichen der Jndustriegröße, die alles,
kann man sagen, einem Arbeiter von Kopf, Genie und praktischer
Thatkraft verdankte.
Am 9. Oktober 1861 mittags richtete nach diesem stolzen Wahr¬
zeichen von der Stadt Essen aus der König Wilhelm von Preußen
seinen Weg, und mit ihm kamen der Kronprinz und der Kriegsminister
von Roon. Acht Jahre war es her, daß der Prinz von Preußen
seinen Besuch bei Krupp gemacht hatte. Inzwischen hatte er den
Thron bestiegen und Krupp sich auf die Höhe gewerblichen Ruhmes
und Schaffens geschwungen. Die Gußstahlkanone, die damals der
Prinz gleichsam in ihrer ersten Kindheit von ihrem Vater behandelt
gesehen, hatte jetzt die Bedeutung erworben, die sich derselbe davon
versprochen und die der Prinz ihr gewünscht: sie stand ihren Mann.
Als König erschien er nun, seine Genugthuung darüber dem Fabrik¬
herrn auszudrücken, der nun auch in eine so wichtige Beziehung zum
preußischen Heere getreten, an dessen Vervollkommnung der Herrscher
als an seinem eigensten Werke arbeitete und die er als die große
Aufgabe seines Lebens betrachtete. Zu dieser Vervollkommnung ge¬
hörte die neue Hinterlader-Kanone, das Geschütz Krupp. Vier Stunden
lang hielt sich der hohe Besuch in den Werken des großen Meisters
auf. Im Stahlgießhause ließ dieser vor den Augen seines königlichen
Gönners aus dreihundert Tiegeln einen Stahlblock von 18 000 Pfund
Gewicht und fünfzehn Fuß Länge schmieden, unter dem großen Dampf¬
hammer einen anderen von 15000 Pfund, im Eisengießhause den
königlichen Namenszug in kolossaler Größe gießen.
Der König war voller Bewunderung über diese Leistungen.
„Ich bin erstaunt," sagte er nachher beim Empfang der Behörden
von Essen zum Bürgermeister, „über die großartige Erweiterung
dieses Etablissements, das neben seiner gewerblichen Bedeutung einen
edlen vaterländischen Zweck hat."
Zum Handelskammer-Präsidenten äußerte er sich:
„Schon vor acht Jahren habe ich mich über die Ausdehnung be¬
sonders auch des Kruppffchen Etablissements gefreut; jetzt aber sind
meine Erwartungen weit übertroffen, wie es sich denn überall zeigt:
wo das Herz auf dem rechten Fleck sitzt, da bleibt der Segen
nicht aus."