VL. Balladen und Romanzen
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2. Früh von des Tages erstem
Schein,
Bis spät die Vesper schlug,
Lebt' er nur ihrem Dienst allein,
That nimmer sich genug.
Und sprach die Dame: „Mach' dir's
leichl⸗
Da wurd' ihm gleich das Auge seucht,
Und meinte seiner Pflicht zu fehlen,
Durft' er sich nicht im Dienste quälen.
3. Drum vor dem ganzen Dienertroß
Die Gräfin ihn erhob;
Aus ihrem schönen Munde floß
Sein unerschöpftes Lob.
Sie hielt ihn nicht als ihren Knecht,
Es gab sein Herz ihm Kindesrecht;
Ihr klares Auge mit Vergnügen
Hing an den wohlgestalten Zügen.
4. Darob entbrennt in Roberts
Brust,
Des Jägers, gift'ger Groll
Dem längst von böser Schadenlust
Die schwarze Seele schwoll:
Und trat zum Grafen, rasch zur That
Und offen des Verführers Rat,
As einst vom Jagen heim sie kamen,
Streut' ihm ins Herz des Argwohns
Samen.
5. „Wie seid Ihr glücklich, edler
Graf,“
Hub er voll Arglist an,
XEuch raubet nicht den goldnen Schlaf
Des Zweifels gift'ger Zahn;
Denn Ihr besitzt ein edles Weib,
Es gürtet Scham den keuschen Leib:
Die fromme Treue zu berücken
Wird nimmer dem Versucher glücken.“
6. Da rollt der Graf die finstern
vBraum
„Was red'st du mir, Gesell?
Werd' ich auf Weibestugend baun,
Beweglich wie die Well'?
Leicht locket sie des Schmeichlers Mund.
Mein Glaube steht auf festerm Grund:
Vom Weib des Grafen von Saverne
Bleibt, hoff' ich, der Versucher ferne“
7. Der andre spricht: „So denkt
Ihr recht.
Nur Euren Spott verdient
Der Thor, der, ein geborner Knecht,
Ein solches sich erkühnt
Und zu der Frau, die ihm gebeut,
Erhebt der Wünsche Lüsternheit.“
„Was?“ fällt ihm jener ein und bebet,
Red'st du von einem, der da lebet?“
8.„Ja doch, was aller Mund erfüllt,
Das baͤrg' sich meinem Herrn?
Doch, weil Ihr's denn mit Fleiß
verhüllt,
So unterdrück' ich's gern·
„Du bist des Todes, Bube, sprich!“
Ruft jener streng und fürchterlich,
„Wer hebt das Aug' zu Kunigon—
den?“ —
„Nun ja, ich spreche von dem Blonden.“
9. Er ist nicht häßlich von Gestalt,“
Fährt er mit Arglist fort,
Indem's den Grafen heiß und kalt
Durchrieselt bei dem Wort.
„Ist's möglich, Herr? Ihr saht es nie,
Wie er nur Augen hat für sie?
Bei Tafel Eurer selbst nicht achtet,
An ihren Stuhl gefesselt schmachtet?
10. „Seht da die Verse, die er
schrieb
Und seine Glut gesteht·
„Gesteht!“ — „Und sie um Gegenlieb,
Der freche Bubel! fleht.
Die gnäd'ge Gräfin, sanft und weich,
Aus Mitleid wohl verbarg sie's Euch;
Mich reuet jetzt, daß mir's entfahren,
Denn, Herr, was habt Ihr zu be—
fahren?“
11. Da ritt in seines Zornes Wut
Der Graf ins nahe Holz,
Wo ihm in hoher Ofen Glut,
Die Eisenstufe schmolz.
Hier nährten früh und spat den Brand
Die Knechte mit geschäft'ger Hand;
Der Funke sprüht, die Bälge blasen
Als gält' es, Felsen zu verglasen.
12. Des Wassers und des Feuers
Kraft
Verbündet sieht man hier;
Das Muhlrad, von der Flut gerafft,
Umwälzt sich für und für.
Die Werke klappern Nacht und Tag
Im Takte pocht der Hümmer Schlag,
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