120 VIII. Das Deutsche Reich.
zu halten und in Übereinstimmung mit derselben und den Gesetzen
zu regieren.
Art. 56. Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd
verhindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige
Agnat (Art. 53), welcher der Krone am nächsten steht, die Regent¬
schaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter
Sitzung über die Notwendigkeit der Regentschaft beschließen.
Art. 57. Ist kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht
bereits vorher gesetzliche Fürsorge für diesen Fall getroffen, so hat
das Staatsministerium die Kammern zu berufen, welche in ver¬
einigter Sitzung einen Regenten erwählen. Bis zum Antritt der
Regentschaft von seiten desselben führt das Staats ministerium die
Regierung.
Von den Ministern.
Art. 60. Die Minister, sowie die zu ihrer Vertretung ab¬
geordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und
müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden.
Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.
Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur
dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind.
Art. 61. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer
wegen des Verbrechens der Verfaffungsverletzung, der Bestechung
und des Verrates angeklagt werden.
Von den Kammern.
Art. 62. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch
den König und durch zwei Kammern ausgeübt.
Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu
jedem Gesetze erforderlich.
Finanzgesetzentwürse und Staatshaushaltsetats werden zuerst
der zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der ersten
Kammer im ganzen angenommen oder abgelehnt.
Art. 64. Dem Könige, sowie jeder Kammer steht das Recht
zu, Gesetze vorzuschlagen.
Gesetzesvorschläge, welche durch eine der Kammern oder den
König verworfen worden sind, können in derselben Sitzungsperiode
nicht wieder vorgebracht werden.