IV. ii. Von den göttlichen Strafen. 77
streuung, zur Zeit des Reizes zur Sünde, nicht daran
denken. Bey ihnen wirkt der Lehrsatz von unaufhörli-
chen Strafen nicht mehr, als von aufhörlichen.
Auch zeigt die Erfahrung nicht, daß mehr Tu¬
gend bey denen Völkern und Personen sey, die einen
Gott bekennen, welcher den Lasterhaften unaufhörliche
Quaalen bestimmt, als bey denen, die belehrt werden,
daß die Strafen Gottes an ihnen und ihren Mitbrü-
dem endlich ihr Ziel erreichen.
Wenn dieIdee von dcrUnaufhörlichkeit der gött¬
lichen Strafen bey einigen Ruchlosen etwas nützt, daß
sie nicht noch ruchloser handeln; so schadet derselbe Lehr¬
begriff vielen Andern, welche mit einer wahren und nach¬
gedachten Gewißheit keine unaufhörliche Quaalen
glauben, und welche an aller überirdischen Strafe zu
zweifeln anfangen, wenn sie kerne andre Gründe ha¬
ben, als solche, welche dieselben zugleich als unauf-
hörlich vorstellen.
Ferner, wir sind mit allen Unsrigen in Gefahr
göttlicher überirdischer Strafen. Das uns unbe-
kannte Schicksal der künftigen Jahre unsers Lebens,
hat wenigstens einen grossen Einfluß in mser künftiges
Herz und in unsern künftigen Wandel. Die Gewissen¬
haftesten erschrecken am meisten vor der Möglichkeit
künftiger Sünden; sie fühlen die Last der begangenen
mehr, als andre.' Der beste Mensch, der noch zeitli¬
ches Leben vor sich hat, ist in einiger Gefahr überir¬
discher göttlicher Strafen. Wer diese unleugbare
Wahrheit nicht leugnet, und die Gefahr, sich selbst
oder die Seinigen in unaufhörlicher Quaal zu lsehen,
anschauend überlegt; der hat bey der geringsten Ver¬
muthung
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