Full text: Staats- und Wirtschaftslehre (Bd. 2)

O. Das Versicherungswesen. 
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liegen mannigfachen Gefahren. Dasselbe gilt von der Gesundheit 
des Menschen, und der Tod ist einem jeden sicher. Ferner können 
wir durch eigenes Versehen oder durch unsere Tiere oder durch 
Verschulden von Personen, für welche wir nach §§ 823—853 
des Bürgerlichen Gesetzbuches haften müssen, z. B. unsere Binder, 
Dienstboten und Arbeiter, dazu verpflichtet werden, große Entschädi¬ 
gungen zu bezahlen. Im allgemeinen nennt man derartige Zu¬ 
fälle Unglück. 
Den wirksamsten Schutz, von derartigen Schäden nicht zu 
empfindlich betroffen zu werden, bildet die Versicherung. Letztere 
beruht auf einer Verteilung der Gefahr und des Schadens auf 
eine größere Anzahl von Personen oder Unternehmungen. Durch 
das Bezahlen verhältnismäßig kleiner, regelmäßiger Versicherungs¬ 
beiträge, Prämien genannt, werden Summen zusammengebracht, 
welche die Entschädigung an den vom Unglück Betroffenen ermög¬ 
lichen. Die Versicherung ist also ein Vertrag; die zwischen dem 
Versicherer und dem Versicherten ausgefertigte Urkunde heißt 
Polize (Versicherungsschein). Versicherer und Versicherte sind 
entweder dieselben Personen, wie bei den Gegenseitigkeitsgesell¬ 
schaften, oder sie sind verschiedene Personen, in der Regel Aktien¬ 
gesellschaften. Beide sind Privatversicherungsanstalten. Es gibt 
aber auch staatliche Versicherungsanstalten. In der Regel sind diese 
mit besonderen Vorrechten, namentlich dem Versicherungszwang, 
ausgestattet. 
Wegen der großen Bedeutung des Versicherungswesens unter¬ 
stehen laut Reichsgesetz vom 12. Mai 1901 die Privatversicherungs¬ 
anstalten dem Kaiserlichen Aufsichtsamt. Dies Gesetz beschränkt 
sich im wesentlichen auf die öffentlich-rechtliche Seite. Durch das 
am 1. Januar 1910 in Kraft getretene Reichsgesetz über den 
Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 ist das Recht des privaten 
Versicherungsvertrages, das sich auf den bisher oft sehr abweichen¬ 
den allgemeinen Versicherungsbedingungen der einzelnen Gesell¬ 
schaften aufbaute, in einheitlicher und umfassender Weise geordnet 
worden. Demgemäß mußten die Versicherungsgesellschaften ihre 
allgemeinen Versicherungsbedingungen ändern und von dem betr. 
Kaiserlichen Aufsichtsamte genehmigen lassen. Für die bereits 
bestehenden, über den 1. Januar 1910 hinauslaufenden Verträge 
ist bestimmt worden, daß die neuen Vorschriften sobald als mög¬ 
lich, d. h. nach Ablauf des ersten Kündigungstermins, welcher 
beiden Teilen zusteht, so bald keine Verträge ausdrücklich oder 
stillschweigend verlängert werden, zugrunde zu legen sind. Die 
neuen Versicherungs-Bedingungen sind dem Versicherungsnehmer
	        
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