154
wer noch dem Heere angehört, meldet nach vollendeter Dienstzeit
jeden Wohnungswechsel dem Bezirkskommando seines Landwehr¬
bezirkes, damit ihn der Gestellungsbefehl erreichen kann, von Zeit zu
Zeit werden die ehemaligen Soldaten zu Übungen einberufen (Reservisten
zweimal bis zu 8 Wochen, Landwehrmänner l. Rufgebots zweimal auf je
8—14 Tage und Ersatzreservisten 10, 6 und 4 Wochen, letztere üben jedoch
nicht mit der Waffe).
Ein Ingenieur hatte einjährig gedient. Freilich hatte es ihm auch
Geld gekostet, da er Wohnung, Verpflegung und Rusrüstung allein bezahlen
mutzte,- die 22 Pfennig Löhnung (Infanterie), die ihm entgingen, hatten
dabei gar keine Rolle gespielt.
Rus diesen Einjährigen ernennen die Landesherren die Reserve¬
offiziere, die im Kriegsfälle als Offiziere verwendet werden. Sie
müssen viele Übungen mitmachen und Prüfungen bestehen, ehe man ihnen
diese verantwortungsvolle würde überträgt.
Zwei arme Burschen, mit denen Wilhelm in der Lehre viel Mitleid gehabt
hatte, wurden nicht Soldat. Der eine war brustleidend und etwas verwachsen,
der andere auf einem Rüge blind. Ein anderer wurde auch frei. Er war
der einzige Ernährer seiner Mutter und Geschwister. Ruch der Sohn der
Frau Kramer aus Wilhelms Vaterstadt brauchte nicht zu dienen, da sein
Bruder in Südwestafrika im Kriege gefallen war. Ein paar ganz junge Leute
waren dabei. Sie hatten sich mit 17 Iahren freiwillig gestellt.
wer könnte den gewaltigen Unterschied darstellen, der sich zwischen
den eintretenden Rekruten mit ihrer schlaffen Muskulatur und den starken
Männern mit den strammen Gliedern der Mannschaften der 2. Compagnie
beim Rbgange zeigte!
Roch grötzer war der Erfolg der g e i st i g e n Zucht, die jeder an
sich und den Kameraden bemerken konnte: Entschlossenheit, Umsicht, Ordnungs¬
liebe, Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit, aber auch Treue und Hilfsbereitschaft,
Kameradschaftlichkeit und vor allem die so schwere, so sehr schwere Tugend
des schweigenden Gehorsams! Vas schöne Bewutztsein dieser
Errungenschaft war es auch, was jeden, wes Standes er auch war, ver-
anlatzte, in seinen Lebenslauf die Worte einzuflechten: Gedienter
Soldat.
Der Nutzen, den es für ein Volk hat, wenn jährlich 300 000 junge Männer,
so an Körper und Geist gewachsen, in das deutsche Volkstum zurücktreten,
ist allein die Millionen wert, die das Heer jährlich kostet. Niemals hatte Wil¬
helm das mehr eingesehen als in dem zweiten Manöver.
Er besatz einige Gewandtheit im mündlichen Rusdruck der französischen
Sprache. Deshalb wurde er zum Dienste der fremdherrlichen Offiziere beordert,
die zu dem Kaisermanöver erschienen waren. Er hörte manchmal die Urteile
über die Tüchtigkeit des deutschen Heeres. Der Belgier sagte zu einem italie¬
nischen Offizier, datz er den japanisch-russischen Krieg mitgemacht habe und
an diesen sich so rasch entwickelnden Rsiaten das deutsche Heer habe bewundern
müssen,- denn sie seien bei den Deutschen in die Schule gegangen.