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schwer wäre. Beide Leidensbrüder waren ein Herz und eine Seele. 
Da sagte einmal der Volkmann zu seinem Freunde Kolbheim: „Ich 
ziehe nach Lauterberg ins Hannövrische; dort ist mehr Verdienst.“ 
Gesagt, gethan — und der Hausrat kostete nicht viel Fracht. Der 
Kolbheim wünschte ihm alles, was ihm heilbringend sein konnte; 
aber der Arme fand's in Lauterberg nicht, — denn er erkrankte 
und starb, und die hungernden Kindlein schickten die von Lauter— 
berg hin, wo sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe dachten: 
„Was mich nicht breunt, das blas' ich nicht!“ und ließen die 
hungernden Waisen laufen. 
Dachte auch der blutarme Kolbheim so? Nein, liebe Leser, der 
nahm die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu 
seinen dreien, sah mit einer heißen Thräne gen Himmel und seufzte: 
„Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeiset hast, hilf 
und verlaß mich nicht!“ — Wenn die Not am größten ist, ist 
Gott am nächsien! Das, was Kolbheim gethan, wurde der 
pPreußischen Regierung in Erfurt bekannt, und die sandte ihm vierzig 
Thaler zur erslen Hilfe; ein frommer Mann sandte heimlich zehn 
Thaler; und der fromme Preußenkönig, Friedrich Wilhelm III. 
hörte es auch; der sandte dem guten Kolbheim ein Käapitälchen, 
daß er sich koͤunte ein Feldgütchen kaufen, und eins der Volkmänn— 
schen Kinder kam ins Waisenhaus nach Halle, das der fromme 
Francke gestiftet hat, von dem ihr schon gehört haben werdet, und 
der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!“ 
Saget aͤuch ihr nie so, wenn ihr hädern höret, wenn ihr Zeugen 
fauler Geschwätze, sündhafter Flüche, schändlicher Handlungen oder 
menschlichen Jammers seid! Das brennt euch wohl; wenn ihr 
nicht blaset — wie steht's dann um euer Gewissen? 
43. Gebet. 
(B. Geibel.) 
Herr, den ieh tief im Herzen trage, sei du mit mir! 
Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir. 
Im Brand des Sommers, der doem Manne dio Wange bräunt, 
Wie in der Jugend Rosentage, sei du mit mir. 
Behüte mioh am Born der Freude vor Übermut, 
Und wenn ioh an mir selbst verzage, sei du mit mir. 
Dein Segen ist wie Tau den Reben; nieohts kann ieh selbst; 
Doceh dass ioh kühn das Höohsto wage, sei du mit mir, 
O du mein Prost, du meine Stärke, mein donnenlieht, 
Bis an das Dnde meiner Tage sei du mit mir! 
g *
	        
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