III. Unsere Marine
69
J. Die Marine im Kriege.
Der Krieg, welchen Großbritannien zur 5ee gegen uns führt, ist während
des ersten Vierteljahres ganz anders verlaufen, als viele Deutsche sich wohl
gedacht haben. Große Seeschlachten haben bis zürn Ende des Monats No-
venrber nicht stattgefunden, die englische wie die deutsche Bauptflotte haben
sich bisher zurückgehalten, und inan hat eigentlich nur gehört von einigen
Kreuzergefechten in der Nordsee und auf den Ozeanen, ferner von der
Tätigkeit der Unterseeboote, wie läßt sich diese scheinbare Untätigkeit der
thauptflotten erklären? warum greift Großbritannien nicht mit seiner
weitüberlegenen Flotte an, wie es in Friedenszeiten so oft in Großbritannien
drohend ausgesprochen und vorausgesagt worden ist?
In der ersten Periode des Krieges bestand der Grund wohl haupt¬
sächlich darin, daß man einerseits glaubte, die deutsche Flotte werde bald
von selbst aus der deutschen Bucht der Nordsee herauskommen und den
Entscheidungskampf suchen. Die britische Admiralität wollte diesen Ent¬
scheidungskampf aber nicht in der Nähe der deutschen Küsten ausfechten,
weil die deutsche Flotte dort, nahe an ihren träfen, an den deutschen Küsten¬
befestigungen und nicht weit von den Kanonen der Insel Helgoland,
unterstützt von Torpedobooten und andern Waffen des Kleinkrieges, eine
vorteilhaftere Position haben würde, als vergleichsweise die englische. Die
britische Admiralität sagte sich ferner: mit der Entscheidungsschlacht habe
es keine Eile, denn den deutschen Seehandel könne man ohne weiteres ab¬
schneiden. Das ist bekanntlich auch geschehen dadurch, daß die Ausgänge der
Nordsee und die Fahrstraßen auf den Ozeanen durch britische Kreuzer dauernd
überwacht wurden; jedes deutsche Handelsschiff fing man ab, und bald wagten
sich auch keine neutralen Handelsschiffe mehr nach den deutschen Bäfen.
Die deutsche Flotte konnte diese Abschneidung vom Welthandel und Welt¬
verkehr nicht hindern; die deutschen Nordseehäfen in der Jade, Elbe und
Ems liegen zu weit von den Nordseeausgängen entfernt, chätte die deutsche
Flotte einen solchen Versuch gemacht, so würde die britische Flotte sie ruhig
etwa bis an den Ärmelkanal haben fahren lassen. Dann würde sie ihr die
Rückkehr nach den deutschen träfen abgeschnitten und sie draußen in der
Nordsee mit überwältigender Übermacht angegriffen und vernichtet haben.
Dem konnte und durfte die deutsche Flotte sich also nicht aussetzen. Sie
mußte sich zurückhalten, die Ereignisse des Krieges aufmerksam beobachten
und bei günstiger Gelegenheit zum Bandeln benutzen. So ereignete sich
während des ersten Kriegsvierteljahres außer kleineren unbedeutenden
Plänkeleien zwischen den beiden Flotten nichts. Dafür traten aber zwei
andere Faktoren auf, mit denen die Engländer vorher nicht gerechnet hatten:
die deutschen Minen und die deutschen Unterseeboote. Deutsche Minen
sind von Anfang des Krieges an an den großbritannischen Küsten gelegt und
hinderten dort sowohl den britischenbjandel wie die Bewegungen der britischen
Kriegsschiffe. Die deutschen Unterseeboote steigerten die Unsicherheit noch
viel mehr, so daß Anfang November die britische thauptflotte teils in einigen
Bäfen versteckt lag, teils die Nordsee verlassen hatte. Der britische Handel