IV. Krieg und Volksernährung 
75 
bedeutend ist, so ist doch innerhalb des Acker- und Gartenlandes durch Ver¬ 
minderung der Brache und der Ackerweide ein immer größerer Teil für 
den Anbau von Feldfrüchten gewonnen worden. Die sogenannte Anbau¬ 
statistik, die alljährlich im Frühjahr durch Schätzungen die Anbauflächen 
der wichtigsten Fruchtarten feststellt, ergibt das folgende Bild: 
Roggen Weizen Hafer Gerste Kartoffeln 
in Millionen Hektar 
t878 5,95 3,75 1,62 2,75 
t9l2 6,26 1,92 4,38 \,59 3,34 
So ist zwar beim Weizen im wesentlichen ein Stillstand und bei der 
Gerste sogar ein Rückgang, aber auch bei unserer wichtigsten Brotfrucht, 
dem Roggen, eine bescheidene, bei unserem wichtigsten Futtergetreide, 
deur Hafer, und ebenso auch bei der Kartoffel eine beträchtliche Zunahme 
zu verzeichnen. Zn der Beschränkung auf diese wichtigsten Fruchtarten 
kann von einer gewissen Verbreiterung unserer „agrarischen Basis" ge¬ 
sprochen werden. Eine solche ist auch in Zukunft innerhalb unserer heutigen 
politischen Grenzen noch möglich. Znsbesondere können wir neuen land¬ 
wirtschaftlich benutzbaren Boden uns erschließen. Denn Deutschland besitzt 
noch große Gdländereien. Sie sind ^907 auf 3'/- Millionen Hektar berechnet 
worden, also beträchtlich mehr als ein Zehntel der heutigen landwirtschaftlich 
genutzten Fläche. Daß diese Gebiete urbar gemacht werden können, steht 
fest. Doch ist im Frieden die Aufgabe nicht dringend, und Arbeitskräfte 
und Kapitalien sind dann anderweitig stark in Anspruch genommen. Zm 
Frieden schreitet daher dieses wichtige Knlturwerk nur langsam vorwärts. 
Der Krieg jedoch, der die Zufuhren aus dem Ausland abschneidet, macht 
die Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und damit jede 
erreichbare Stärkung unserer Landwirtschaft zur wichtigsten Aufgabe unserer 
nationalen Wirtschaftspolitik; er stellt in Arbeitslosen und Gefangenen 
die bisher fehlenden Arbeitskräfte; er kann, zumal mit Rücksicht auf eine 
spätere Kriegsentschädigung, unter den Milliarden, die er flüssig macht, 
auch die Kapitalien aufbringen, die zur energischen Erschließung unserer 
Moore nötig sind. So kann der Krieg zum Kulturförderer werden und nicht 
nur für die Not der Gegenwart, sondern zum heil auch für die Zukunft 
die Selbständigkeit unserer Volkswirtschaft steigern. Zn Preußen ist diese 
Aufgabe in Angriff genommen worden, hoffentlich trägt sie reiche Früchte. 
2. So wichtig es auch ist, daß ein Volk, das jährlich um ungefähr 
800 000 Köpfe anwächst, seine Bodenflächen möglichst vollständig nutzt, 
so ist doch die große bisherige Ertragssteigerung, die es unserer Landwirt¬ 
schaft in so weitgehendem Maße ermöglicht hat, den angeschwollenen Be¬ 
darf unserer Bevölkerung zu decken, nicht durch Vergrößerung des Bodens 
und Vermehrung der Arbeitskräfte, sondern durch Verbesserung der Arbeit 
erzielt worden. Die Landwirtschaft hat in Deutschland in den letzten Zahr- 
zehnten Fortschritte gemacht, die kaum von einem andern Produktions¬ 
zweig übertroffen werden, was früher die Zahrhunderte hindurch der 
bloßen Erfahrung überlassen worden war, das ist in allen seinen vielen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.