Hermann Schumacher 
kleinen Teilen zun: Gegenstand eindringlicher und rastloser wissenschaftlicher 
Untersuchungen gemacht worden. Man spricht von einer „Verwissenschaft¬ 
lichung" der Landwirtschaft; sie sei in allen ihren Verrichtungen zur an¬ 
gewandten Wissenschaft geworden. Und das ist richtig, wenn auch noch 
nicht jeder Landwirt die Bildung besitzt, alle wissenschaftlichen Errungen¬ 
schaften sich nutzbar zu machen. Aber was früher der Vorzug einer kleinen 
Minderheit war, ist immer mehr in die breiten Schichten der landwirtschaft¬ 
lichen Bevölkerung hineingetragen worden. Die Entwicklung des landwirt¬ 
schaftlichen Unterrichtswesens und ganz besonders der ländlichen Fort¬ 
bildungsschulen, deren Zahl in Preußen von 969 in \8y7 auf 5349 in ^9U 
gesteigert worden ist, hat eine umfassende Demokratisierung der landwirt¬ 
schaftlichen Bildung herbeigeführt. Sie ist an der Ertragssteigerung unserer 
Landwirtschaft stark beteiligt und verspricht für die Zukunft noch weitere 
schöne Erfolge. 
Eine solche Hebung und Vergeistigung der landwirtschaftlichen Arbeit 
hat ebenso im Ackerbau wie in der Viehzucht stattgefunden. 
Der Ackerbau erinnert in dieser Hinsicht sehr vielfach an die Industrie, 
wie diese in weiten Zweigen ihr Gepräge bekommen hat durch das Streben 
nach allseitiger Ausnutzung der Produktionsanlage, so ist das auch hier der 
Fall gewesen. Dieses Streben ist in der Landwirtschaft darauf gerichtet, 
die Fruchtbarkeitsbedingungen des Bodens möglichst vollständig auszunutzen, 
und bekommt seinen besondern Inhalt dadurch, daß die Kulturpflanzen 
sehr verschiedene Ansprüche sowohl an die chemischen, als auch an die 
physikalischen und sonstigen Eigenschaften des Bodens stellen und ihn daher 
auch nach der Aberntung in sehr verschiedener Beschaffenheit zurücklassen. 
Das hat dazu geführt, einen systematischen Wechsel im Pflanzenbau vor¬ 
zunehmen. Ist der Boden in einer Richtung besonders in Anspruch ge¬ 
nommen worden, so sind Pflanzen nötig, die ihn in anderer Richtung in 
Einspruch nehmen. So drängt schon dieses Streben nach möglichster Aus¬ 
nutzung der sachlichen Produktionsmittel in der Landwirtschaft ebenso wie 
im Gewerbe dazu, verschiedene Produktionszweige miteinander zu ver¬ 
einigen. 
Dasselbe ist der Fall in einer zweiten Richtung, wie die Kräfte des 
Bodens, so müssen auch die Kräfte des arbeitenden Menschen möglichst 
rationell ausgenutzt werden. Sie dürfen, wie der Boden, nicht lange Zeit 
brach liegen gelassen werden; mit ihnen darf aber auch ebensowenig, wie mit 
dem Boden, Raubbau getrieben werden. Rücksichtslose Ausnutzung ver¬ 
bietet sich gleichmäßig bei beiden. Auch dieses Streben nach Kontinuität 
der Arbeit ist in aller vorgeschrittenen und einsichtsvollen Produktion lebendig, 
in der gewerblichen wie der in landwirtschaftlichen. In der Landwirtschaft 
erhält es feine Besonderheit nur dadurch, daß die Natur den Arbeitsbedarf 
genau vorschreibt, und zwar verschieden bei jeder Pflanze. Die Bestell-, 
pflege- und Erntearbeiten sind meist an ganz bestimmte Zeiten gebunden. 
Eine einseitige Kultur, die auf eine Frucht sich beschränkt, bedeutet also 
eine einseitige Steigerung des Arbeitsbedarfs; sie verstärkt den Saison¬ 
charakter der Landwirtschaft. Ein rationelles Streben muß dagegen darauf
	        
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