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Geschichte der neuen Zeit.
163. Die französische Aevokution. 1789.
Ludwig XVI. von Frankreich, ein liebenswürdiger und rechtschaffener
Mann, meinte es herzlich gut; aber dem argen verderben des Volks
konnte er nicht steuern. Vergebens schränkte er sich ein, lebte sparsam und
machte manche gute Einrichtung. Die Schulden des Staates, welche unter
seinen Vorgängern gemacht worden, wurden immer größer. — Endlich wur¬
den aus allen Theilen des Reiches die vornehmsten und klügsten Männer
2,u einer berathenden Versammlung nach Paris zusammenberufen und um
Rath gefragt, wie man wohl dem Lande helfen könne.
Anfang der Revolution. Aber die Versammlung konnte den rechten
Rath nicht geben. Der Adel, die Geistlichen und die reichen Klöster, die
bisher von allen Abgaben frei gewesen waren, wollten auch jetzt zur Ret¬
tung des Landes nichts beitragen, und anstatt aus Liebe ein Opfer zu brin¬
gen, dachten sie nur daran, ihre Vorrechte zu behalten. Darüber wurden
die Männer vom Bürgerstande erzürnt. Menschen, die bei allgemeiner
Verwirrung zu gewinnen hofften, reizten überdies das Volk immer mehr
auf und riefen ihm zu: „Helft euch selber mit Gewalt!" und dem lange
gedrückten Volke schien dieser Ruf gar füß. So zog denn (am 14. Juli
1789) ein wilder aufgehetzter Volkshaufen lärmend und tobend durch die
Straßen von Paris. Bewaffnet stürmte derselbe nach der Bastille, dem
alten Staatsgefängnifse, tödtete die ganze Schaar der Schweizersoldaten,
die dasselbe bewachten, steckte die Köpfe der Anführer auf lange Piken und
trug sie jubelnd durch die Stadt. • Das war der Anfang der französischen
Revolution.
Behandlung des Königs. Die Adeligen und vornehmen Geistlichen
sahen nun wohl, wie schlimm es ihnen ergehen könne und suchten auf jede
Weife aus dem Lande zu flüchten. Unter dem Namen Emigranten blieben
sie meist am Rheine und verdienten oft mit saurer Mühe ihr tägliches
Brot. In Paris aber wurde es immer ärger und ärger. Der wilde Pöbel
stürmte nach Versailles, wo der König wohnte, tobte, mordete seine Leute
und zwang den König, mit der Königin in einer Kutsche nach Paris zu
fahren. Unterwegs jubelte das zum Theil betrunkene Volk immer neben
der Kutsche her, schoß auch zuweilen hinein und fluchte zwifcheneii^dem
Könige und der Königin. Man kann sich denken, welche angstvollen Stun¬
den das für den König waren.
Die Flucht. In Paris hatte er fortwährend viel Herzeleid, so daß er
beschloß, heimlich seinen Brüdern zu folgen, die schon nach Deutschland
entflohen waren. Er fuhr also mit feiner ganzen Familie still davon.
Unterwegs sah ihn aber in einer Stadt der Postmeister, erkannte ihn und
machte Lärm. Sogleich mußte der König umkehren; seine Bedienten wur¬
den mit Stricken auf dem Kutschersitze festgebunden; Soldaten marfchirten,
wie bei Gefangenen, neben dem königlichen Wagen her, und langsamen
Schrittes fuhr dieser nun durch die gedrängt vollen Straßen der großen
Hauptstadt nach dem königlichen Schlosse. Hier wurde der König ganz wie
ein Gefangener gehalten.
Die National-Versammlung. Indeß regierte in Paris jene Versamm¬
lung, welche der König anfangs zusammen berufen hatte, um ihm Rath zu
geben. Sie bestand meistens aus Männern aus dem Bürgerstande, hieß
die National-Versammlung, und das ganze Volk gehorchte ihr. Nach¬
dem sie einmal aufgehört hatte, dem Könige zu gehorchen, ging sie immer
weiter. Gottlose Menschen erhielten in ihr die Oberhand; die besseres
wußten und wollten, schwiegen; viele Gräuel geschahen. Endlich nahmen
sie den König und seine Familie gefangen und erklärten, in Frankreich solle