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Mund nicht mehr essen, die Augen nicht mehr sehen wollten, so
fing der ganze Körper in allen seinen Gliedern an zu welken und
nach und nach abzusterben. Da sahen sie ein, daß sie thöricht
gehandelt hätten, und wurden einig, daß es künftig nicht wieder
geschehen sollte. Da diente wieder ein Glied dem andern, und
alle wurden wieder gesund und stark, wie sie vorher gewesen waren.
4. Räthsel.
Es sind zwei kleine Fensterlein
In einem großen Haus,
Da schaut die ganze Welt hinein,
Die ganze Welt heraus.
Ein Maler sitzet immer dort,
Kennt seine Kunst genau,
Malt alle Dinge fort und fort,
Weiß, schwarz, roth, grün und blau.
Dieß malt er eckig, jenes rund,
Lang, kurz, wie's ihm beliebt;
Wer nennet all' die Farben und
Die Formen, die er gibt?
Auch was der Hausherr denkt und fleht,
Malt er an's Fenster an,
Daß jeder, der vorübergeht,
Es deutlich sehen kann.
Und freut der Herr vom Hause sich,
Und nimmt ein Schmerz ihn ein,
So zeigen öfters Perlen sich,
In beiden Fensterlein.
Und geht des Hauses Herr zur Ruh,
Nicht braucht er dann ein Licht;
Da schlägt der Tod die Läden zu,
Und, ach! das Fenster bricht.
5. Die linke Hand.
Ich und meine Schwester sind Zwillinge und uns äusserlich so
ähnlich wie die Blätter eines Baumes. Aber eine parteiische Er¬
ziehung hat uns zu ganz verschiedenen Geschöpfen gemacht. Mich
Arme gewöhnte man früh, meine Schwester als eine vornehme Per¬
son zu betrachten. Sie nahm bei jeder Gelegenheit den Bang über
mir. Sie allein wurde gelehrt und gebildet, und ich wuchs, wie
eine Unwissende, auf. IVenn ich es wagte, die Nadel oder die