Sechster Abschnitt.
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die Wage, gab sie dem natürlichen Vater als Kauf-
schilling, und setzte dann den Sohn auf die gewöhnliche
Art in Freiheit. Da aber nach den römischen Gesetzen
ein Sohn, wenn er das erste- und zweitemal in Frei¬
heit gesetzt worden war, wieder in die väterliche Ge¬
walt zurückfiel (s. S. 232.), so wurde dieser Schciuver-
kauf zum drittenmal wicderhohlt. Der Käufer aber
gab nun den Sohn nicht los, denn dadurch würde er
das Recht eines Patrons über denselben erhalten ha¬
ben, sondern verkaufte ihn an den natürlichen Vater
zurück (remsnvipabat), der ihn dann unmittelbar mit
allen Formalitäten, welche bei der Loslassung eines
Sclaven üblich waren, in Freiheit setzte.
Wenn eine Tochter oder ein Enkel der väterlichen
Gewalt entlassen wurde, so beobachtete man dabei die
nämlichen Formalitäten, blos mit dem Unterschied,
daß die Handlung nur einmal, nicht-dreimal, wie bei
einem Sohn, vorgenommen zu werden pflegte. Aber
dieses Ceremonie! fand man im Fortgang der Zeit be¬
schwerlich, und es wurden neue und kürzere Arten von
Emancipationen eingeführt.
IV. Familienrecht und Recht der heiligen Ge¬
bräuche.
(Jus Gentilitatis, Familiae et Sacrorum.)
Jus Gentilitalis war das Recht, ein Geschlecht zu
haben, welches sich anfänglich die Patricier allein zueigne¬
ten, (s. S. 37.), und an den Gütern, Erbschaften und
heiligen Gebräuchen derselben Antheil zu nehmen. Wenn
in einer Familie keine Erben von Seite des Vaters (Agnati)
vorhanden waren, so erbten die, welche zu der nämlichen
Gens gehörten (Gentiles), mit Hintansetzung der Ver¬
wandten von Seite der Mutter (Gognati) in derselben
Familie (Familia). Niemand konnte aus einer patricischen
Familie in eine plebejische, oder aus einer plebejischen in
eine patricische übergehen, ausser durch die Art von Adop¬
tion, welche Arrogatio genannt wurde. ls. S. 53. 233-).
Die Sacra waren bei den Römern theils publica, theils
privata. Die Sacra pvblica, oder öffentlichen hei¬
ligen Gebräuche, wurden auf Kosten des Staats verrichtet,
und das Recht, an denselben Antheil zu nehmen, machte
einen Theil des Juris Givitatis publici (s. S. 56.)
aus. Die Sacra privata wurden von ganzen Ge¬
schlechtern, Familien oder einzelnen Häusern begangen.
Denn jedes Geschlecht und jede Familie hatte gewisse, ihr