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159. Der Lappe und das Renntier.
Das Renntier weidet auf den hohen, wüsten Hochebenen Finn-
markens, auf jenen fürchterlichen Sümpfen, deren braune Decke das
bittere Renntiermoos trügt. Wenn die Sommerhitze hier oben eintritt,
sieht es sich von zahllosen Mücken- und Fliegenfchwürmen verfolgt,
welche Menschen und Tieren das Leben wahrhaft unerträglich machen.
Es dringt daher von selbst darauf, daß feine Herren mit ihm an die
kühle Meeresküste oder in die tieferen Thäler hinabziehen. Kaum aber
naht der Herbst, so erwacht die Begierde nach dem Schnee der Berge,
und vergebens wäre es, dem Verlangen des Tieres zu wehren. Die
ganze Herde der ohnehin nur halbgezühmten Renner würde gewaltsam
entlaufen, um in wilder Freiheit mit ihren Brüdern die Gebirge zu
durchirren.
Zieht der Lappe im Herbste auf das Gebirge zurück, so werden die
Renntiere mit allem Eigentums beladen, wie man Pferde beladet. Es
werden dazu die stärksten ausgesucht, und ment verteilt möglichst die
Last, denn das Renntier trügt nicht viel. Den großen Leittieren werden
Glocken angehängt, unb so wandelt die Karawane, die mindestens 200,
zuweilen aber 2000 Tiere zählt, aufwärts in die unermeßlichen Wüsten,
gefolgt von der Familie und umkreist von den wachsamen Hunden.
Der Hansvater bestimmt endlich einen zur Winterrast geeigneten Ort.
Hier baut er seine Hütte. Dabei sucht er gern die Nähe einer geschützten
Schlucht, wo Birke und Kiefer wachsen, wo ein Bach niederstürzt, und
er baut dann die Hütte etwas fester als das leichte Sommerzelt, bedeckt
sie von außen mit Rasen, bekleidet sie innen mit den Fellen des Tieres,
dem er alles verdankt, und erwartet nun, umringt von seinen Vorräten,
die weiße, warme Decke, welche der Himmel ihm aus den Wolken
schickt. Der Schnee füllt meterhoch, aber das Renntier achtet das nicht.
Es weiß mit seinen Hufen die Hülle fortzuscharren, weiß die Kräuter
und Moose darunter zu finden und irrt auf diesen ungeheuren
Schneefeldern umher, ohne je eines Stalles oder einer Wartung zu
bedürfen.
Neben dem Wohnplatze des Lappen steht meist noch ein Zelt.
Hier speichert er auf, was er an Mehl, Fellen und Geräten besitzt.
Gewöhnlich aber hat er nichts als einige hölzerne Schüsseln, einen
Kessel, einige Kleidungsstücke, einige Pelzdecken, und an den Zeltstangen
hängen die Renntiermagen, worin er seinen Milch- und Käsevorrat
verwahrt. Auf einer anderen Seite der Hütte ist aus Pfühlen eine
Art Hürde gemacht, in welcher die Renntiere zweimal des Tages ge-