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wandes trug. Da suchte der Vogel seine Freiheit und flog
davon, und das ganze Volk verließ die Versammlung und
stürmte der Wachtel nach, um seinem Liebling sich gefällig
zu erweisen. Ein gewisser Antiochos fing sie und ward dafür
Alcibiades Freund.
Seine Mitbürger suchte er an Aufwand und glänzender
Pracht zu übertreffen. Auf den Olympischen Wettkämpfen
erschien er mit sieben Wagen, was noch kein König gethan
hatte, und trug mit dreien den Sieg davon.
Alcibiades öffentliches Auftreten fiel gerade in die Zeit,
wo Nicias den Frieden zwischen den feindlichen Staaten ab¬
geschlossen hatte. Doch war diese Zeit durchaus keine fried¬
liche, und Alcibiades, der vor Begierde brannte, sich Feld¬
herrnruhm zu erwerben, wandte alle Kunstgriffe an, den
Krieg wieder zum offenen Ausbruch zu bringen.
Vor Allem suchte er das Volk zu einem Zuge nach
Sicilien zu bereden, wozu sich damals eine günstige Gelegen¬
heit darbot. Die Einwohner der Stadt Segesta auf Sicilien
führten Krieg mit der Stadt Selinus und wurden von
dieser und den mächtigen Syrakusiern hart bedrängt. Sie
baten in Athen um Hülfe und versprachen in ihrer Noth
sechszig Talente monatlichen Sold für sechzig Schiffe. Alci¬
biades wußte durch seine einschmeichelnde Beredtsamkeit das
Volk so zu bethören, und ihm die Eroberung von ganz Sici¬
lien als so gewiß vorzuspiegeln, daß es den Segestanern den
verlangten Beistand bewilligte. Durch Alcibiades Reden
begeistert, schwelgte das Volk schon zum Voraus in aus¬
gelassener Siegesfreude und träumte sogar von Karthagos
und Afrika's Eroberung, worauf die Unterwerfung Italiens
und des Peloponneses folgen sollte. Die prächtigste von allen
Flotten ward ausgerüstet, und Nicias, Lamachos und
Alcibiades zu Feldherren ernannt.
Noch ehe die Flotte auslief, ereignete sich in Athen ein
Unfall, der für Alcibiades die verderblichsten Folgen hatte.
In einer Nacht wurden alle Hermensäulen, die vor den Häu¬
sern der Athener standen, wahrscheinlich von einer Schaar
trunkener Jünglinge, umgeworfen und verstümmelt. Das