Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

III. Tages- und JahrcSlauf, Fleiß und Fräininigkeit. 
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5. Jul Graun der Nacht, im Windgebraus, 
man weiß sich doch im Vaterhaus, 
sorgt nicht am Kreuzweg allzuviel, 
man geht mit Gott und kommt ans Ziel. 
4. Mit Gott! das ist so wunderleicht; 
und doch, soweit der Himmel reicht, 
so weit hinwandeln Tag und Nacht, 
dies Wort hat tvnndergroße Macht. 
5. Fürwahr! das ist ein sel'ger Mann, 
der's recht von Herzen sagen kann; 
er wird so stark, daß selbst der Tod 
demütig naht und nimmer droht. 
6. Wohlan, so sprich zur Abendruh', 
zum Morgenlichte sag es du: 
99cit Gott! Mit Gott! — so fang es au, 
dein Tagewerk, so schließ es dann! 
Hermann Klette. 
85 (92). Der Meineid. 
Rudolf, Herzog von Schwaben, hatte dem Kaiser Heinrich dem 
Vierten Treue geschworen, aber diesen Schwur gebrochen, indem er 
nachher von ihm abfiel. Nun geschah es, daß er bald daraus in der 
Schlacht bei Merseburg die rechte Hand verlor. Erschrocken hob er 
die Hand auf, zeigte sie seinen Soldaten und sprach: „Dies ist die 
Hand, mit welcher ich dem Kaiser Heinrich, meinem rechtsmäßigen 
Herrn, das Wort der Treue gegeben habe. Erwäget nun selbst, ob 
ich mit Recht von ihm abgefallen bin!" 
So augenscheinlich straft Gott den Meineidigen und stellt uns da- 
durch die Heiligkeit und Wichtigkeit des Eides klar vor Augen. Die 
Bedeutung des Eidschwurs im öffentlichen Leben darf nimmermehr ver¬ 
kannt lüerbcu; er ist das letzte, äußerste Mittel, durch welches ein 
Mensch zur Haltung eines gegebenen Versprechens verpflichtet, durch 
welches die Wahrheit erforscht werden kann. Der Soldat schwört Treue 
feinem Kriegsherrn, der Staatsbürger Treue der Verfassung. Von 
jedem Menschen kann aber auch gefordert werden, daß er die Wahrheit 
seiner Aussage vor Gericht durch einen Eid bekräftige. Es ist eine 
furchtbar ernste Sache um einen Schwur ; heißt doch schwören nichts 
anderes als Gott, den Allwissenden und Allmächtigen, zum Zeugen da¬ 
für anrufen, daß man die Wahrheit aussagen oder daß man ein Ver¬ 
sprechen halten wolle. Wer einen Eid ablegt, beruft sich auf das Höchste 
und Heiligste, das in eines Menschen Herz kommen kann; eine feier¬ 
lichere Art der Beteuerung gibt es nimmer. Aber eben daraus folgt 
auch: Wer falsch geschworen hat, oder wer den Eid bricht, hat das 
Heiligste in den Staub getreten; er hat den Gott aller Wahrheit mit 
Wissen und Willen zum Zeugen der Unwahrheit gemacht.
	        
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