Full text: Die weite Welt (Schulj. 7 u. 8)

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17V. Die Geschichte tum der Wrmderlampe. 
Bei den Bauern oben in den steierischen Bergen wurden wir für 
die langen Winterabende zumeist mit Spanlicht bedient. Das war 
ein ehrliches, gesundes Licht, welches sich gegen ein Kerzenlichtlein 
ausnahm wie eine rotwangige Bauerndirne gegen ein blasses Stadt¬ 
fräulein. Wenn wir aber bei solchen Unschlittschwänzlein, wovon 
zwölf auf ein Pfund gingen, den ganzen, langen Abend nadeln 
sollten, da klagte mein guter Meister manchmal; aber die Hausfrau 
antwortete: „Mein Modell (Gießform) ist nicht größer," denn sie 
goß die Kerzen selber. „Den Docht nimm größer," riet der Meister; 
aber da ging ihr zuviel Unschlitt draus, weil es sich schneller ver¬ 
zehrte. Beim Kaufmann jedoch brannten wir Achter oder Sechser, 
heißt das solche Kerzen, wovon acht oder sechs ein Pfund ausmachten. 
Die gaben freilich einen fürnehmen Schein, wenn sie ordentlich ge¬ 
schneuzt wurden; trotzdem besorgten wir alle feineren Arbeiten beim 
lieben Tagesschein. 
Einmal nun im Advent, als wir beim Kaufmann arbeiteten und 
dieser spät abends aus der Stadt heimkehrte und uns um das matte 
Kerzenlicht kauern und lugen sah, klopfte er den Schnee von den 
Schuhen, blinzelte uns an und sagte: „Na, Schneider, heut hab ich 
was heimgebracht für euch!" Und als die neuen Waren ausgepackt 
wurden, da kam eine stattliche Öllampe zum Vorschein und ein langes 
Rohr aus Glas dazu und ein grüner Papierschirm und ein Zwilch¬ 
streifen und ein feuchtes Fäßlein. „Was du alles für Sachen hast!" 
sagte der Meister. „Das alles miteinander," berichtete der Kaufmann, 
„gehört zum neuen Licht, das aus Amerika gekommen ist; es brennt 
so hell wie der Tag, wirst es schon sehen." Er begann die Lampe 
aus dem Fäßlein zu füllen und den Zwilchstreifen durch das wie 
eitel Gold glänzende Ding mit der eichelförmigen, geschlitzten Kapsel 
zu ziehen. Dann setzte er die Bestandteile zusammen, zündete das 
hervorstehende Ende des Dochtstreifens an, stülpte das bauchige Glas 
auf, daß wir meinten, so eng ums Feuer müsse es zerspringen — 
und nun sollten wir einmal sehen. Aber es war ein trübes Licht, 
das mit seinem schwarzen, stinkenden Rauch allsogleich das Glasrohr 
schwärzte. Der Mann drehte an dem feinen Schräublein den Docht 
weiter auf, da rauchte es noch mehr; er drehte ihn tiefer nieder, da 
wurde es finster, und als wir toll zu lachen begannen, knurrte er 
während seiner fieberhaft hastigen Versuche: „Na, dieser Lampen¬ 
händler hat mich sauber angeschmiert! Aber ich hab's ja gesehen in 
der Stadt, wie das Zeug wunderschön brennt!" „Versuchen wir's 
einmal," meinte mein Meister, „und thun das Glasröhrlein weg," 
riß seine Finger aber sogleich mit einem Hellen Aufschrei davon. Als 
nun das Glas mit einem Lappen entfernt war, brannte die Flamme 
noch trüber, und das Kerzenlicht daneben zuckte nicht ohne Schaden¬
	        
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