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freude hin und her. Nachdem wir mit der neuen Lampe noch aller¬
lei versucht hatten und die Stube endlich voll Rauch und Gestank
geworden war, schalt der Hausherr dieser höllischen Flamme ein
Schimpfwort zu und blies sie aus. Die Kerze brannte mit stiller
Würde fort, und der Meister sagte: „Ja, ja, die Ganzgescheiten heut¬
zutage, bisweilen schmiert man sie halt doch an, die alten Leut' sind
auch keine Esel gewesen."
„Was ist denn das für ein Öl, das Petroleum?" fragte jetzt der
Geselle. „Das soll aus der Erde herausrinnen," erklärte der Kauf¬
mann. „Ja so," rief der Geselle, „nachher wird's freilich das helle
Wasser sein." „Sei mir still," sagte jener und stellte die so vornehme
und doch so untaugliche Lampe in den Winkel.
Nun vergingen zwei Tage. Da kam ein Feiertag, und der
Meister und der Hausherr gingen frühmorgens in die Kirche. Ich
saß allein bei der Kerze und schneiderte; nur eine war im Hause, die
vorhin die Kühe gemolken hatte und sich dann an meinen Tisch setzte,
um an ihr Christtagskleid ein seidenes Schleiflein zu nähen. Da
wollten wir's noch einmal versuchen mit der neuen Lampe. Wir
zündeten sie an und stülpten das Glas darüber; aber es war das¬
selbe trübe, rußige Licht wie das erste Mal. Ich drehte sie höher
und tiefer und zuletzt so tief, daß der Docht ganz in die eichelförmige
Hülse zurückging. Und jetzt ward's hell; aus dem Spalte strahlte
eine breite, blendend weiße, rauchlose Flamme hervor; wir erschraken
vor dem hellen Schein, der auf Tisch und Wand und unsern Gesichtern
lag. So sind wir dem Geheimnis der Wunderlampe auf die Spur
gekommen, und als die beiden Alten aus der Kirche zurückkehrten und
in der Stube die lichte Herrlichkeit sahen, rief der Hausherr freudig
aus: „Da haben wir's ja! Wer hat's denn zuweg gebracht?" Noch
einmal ist die Kerze neben der neuen Lampe angezündet worden, ach
wie armselig, wie totenblaß! „Schäm dich!" rief der Meister und
blies sie undankbar aus. Ich aber wüßte keine Neuerung, welche
beim Landvolke so rasch Eingang gesunden hat, als vor fünfund¬
zwanzig Jahren die Petroleumlampe. P. K. Rosegger.
171. Die Uhr.
1. Es war zu Anfang des neunten Jahrhunderts, als der
Frankenkönig und römische Kaiser Karl der Große ausländischen Be¬
such erhielt. Eine Gesandtschaft von braunen, kostbar gekleideten
Arabern war es, die im Auftrag ihres mächtigen Kalifen, Harun al
Raschid,, dem berühmten christlichen Herrscher wertvolle Geschenke
überreichte. Da gab es allerhand Schönes zu bewundern: edle Pferde
und kostbare Hunde, künstliche Gewebe und goldenen, fein gearbeiteten
Schmuck; was aber die fränkischen Großen am meisten anstaunten, das
war eine Wasseruhr. Sie bestand aus feiner, mit Gold eingelegter