44 17. Das Rittertum.
und Edelfrauen. Welche Pracht der Gewänder und des Geschmeides
wurde da entfaltet, und wie prangte der Festplatz im Schmuck der
Kränze, Banner und Wappen! Jetzt ertönt Trompetengeschmetter,
Pauken- und Trommelschlag, und durch die geöffneten Tore sprengen
aus schnaubenden Rossen die Kämpfer. In den Schranken halten sie;
die Rüstungen blitzen, und die Federbüsche nicken; geschlossen sind die
Visiere. Der Herold ruft das erste Kämpferpaar auf; die Trompeten
geben das Zeichen, und mit eingelegten Lanzen fprengen die beiden
von entgegengesetzten Seiten aufeinander los. Wer durch den ge¬
waltigen Stoß den Gegner aus dem Sattel hebt oder seine Lanze an
ihm zersplittert, ist Sieger. Maucher brach wohl fünfzig Lanzen an
einem Tage. Die aus dem Sattel Gehobenen stürzten mit der
schweren Rüstung sehr nnsanst znr Erde und brachen nicht selten Arm
und Bein oder gar das Genick. Zuweilen ritten auch gauze Scharen
gegeneinander, und dann wurde aus dem Spiel manchmal auch Ernst.
Auf das Lauzenstechen folgte wohl ein Schwertkampf zu Fuß oder zu
Roß, und den Beschluß machte znr Übung der Knappen das Gesellen¬
stechen. Die Sieger erhielten ans der Hand einer schönen Dame
knieend den Dank, nämlich einen prächtigen Helm, ein Schwert, eine
goldene Kette, einen Ring oder dergleichen. Schmans nnd Tanz be¬
schlossen die Feier, die oft mehrere Tage, ja Wochen dauerte.
4. Leben auf der Burg. Ans1 ihren Bnrgen führten die Ritter
ein freies, unabhängiges Leben. Sie ritten aus zur Jagd; sie
lauschten im hohen Rittersaal den Liedern der fahrenden Sänger; sie
kürzten die Stunden durch Würfelspiel und Trunk. Wenn aber das
Horn des Wärtels auf dem Turme das Nahen eines Feindes oer¬
kündete, ha, was für ein Leben! Die Knappen reißen bie Gänle ans
dem Stall; die Ritter klirren daher in Eisen gekleidet von Kopf bis
zu Fuß. „Zit Roß!" ruft der Burgherr, und Ritter nnd Knappen
springen rasselnd in die Sättel. Die Zugbrücke siukt, hinüber donnert
die Schar, den Schloßberg hinab, dem Feinde entgegen. Wie da die
Schwerter hauen! Speere zersplittern, Schilde springen, und mancher
Reiter sinkt in den Saud. Ist der Sieg errungen, so kehrt die Schar-
heim mit den gefangenen Feinden und erbeuteten Rosfen. ^ Jubel
herrscht in der Burg. Abends beim Mahl werden schaurige Geschichten
erzählt von dem Kampfe; der Wein perlt in großen Bechern, und die
Knaben leinschert aufmerksam hinter den Sitzen der Ritter.
5. Kehrseite des Rittertums. Später artete das Rittertum viel¬
fach aus; an Stelle der feinen Sitte, der hövescheit, trat bänrische
Roheit, die dörperheit, und aus den edlen Rittern wurden Raub¬
ritter. Schwer bedrückten sie die armen Bauern; an den Land¬
straßen und Flüssen erzwangen sie drückende Zölle. Besonders mehrten
sie sich uach den Kreuzzügen. Sie übersielen hinterrücks die vorüber¬
ziehenden Kaufleute, schlugen nieder, die sich widersetzten, raubten die
Güter und warfen die Gefangenen ins tiefe Burgverließ, um für ihre
Freilassung ein hohes Lösegeld zu erpressen. Selbst die Drohungen
der Kaiser vermochten wenig gegen diese Greuel des Faustrechts.