Leben und Sitte der römischen Heldenzeit.
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warnte vor der göttlichen Strafe und der unheilbringenden Frucht des
Übermutes, erinnerte an ähnliche Vorgänge aus dem Reiche der Mythen
und redete die goldenen Worte der Weisheit und frommen Ergebung.
Seine Gesänge bildeten den kunstvollsten Teil des Dramas und bewegten
sich in hochpoetischer Rede. In übermenschlicher Größe, die Füße auf
einem Nntersatz, den sogenannten Kothurn, gestellt, trat der Chor in
prächtigen Gewändern, mit goldenen Kränzen im Haar, in die Pforten der
Orchestra ein und umwandelte diese mit feierlichen, gemessenen Bewegungen
zum Klange der Flöten, wobei ihm das heilige Lied von den Lippen floß.
Lange vorher hatte der Dichter selbst mit der größten Sorgfalt und Mühe
die Chorgesänge eingeübt; er selber hatte die Melodien und Gebilde des
Tanzes ersonnen, und keine Kosten noch Mühen wurden gescheut, um seine
Gedanken vollständig und großartig auszuführen. Die Pracht des Chores
und seine Ausstattung war vornehmlich der Gegenstand des Wetteifers bei
den Reichen, die von staatswegen der Reihe nach verpflichtet waren, die
Chöre herzustellen.
Außer dem Chore erhielt der Dichter auch noch die erforderlichen
Schauspieler vom Staate zugewiesen, falls er nicht selbst einige ausgewählt
hatte, die für die Darstellung seiner Stücke vorzugsweise befähigt und ein¬
geübt waren. Mehr als drei Schauspieler waren übrigens selten auf der
Bühne; auch hatte jeder einzelne Schauspieler mehrere Rollen zu über¬
nehmen. Damit die Stimme der Spieler durch das ganze Theater hin
gehört werden könne, befand sich in der Maske, welche sie trugen, eine Art
Sprachrohr.
Die Vorstellungen dauerten den ganzen Tag hindurch. Gewöhnlich
wurden drei Stücke aufgeführt, welche mit einander in einem inneren Zu¬
sammenhange standen. Den Schluß machte daun ein Stück mehr oder
weniger scherzhaften Inhalts, das sogenannte Satyrdrama. Witzschel.
51. Leben und Litte der römischen Heldenzeit.
Das Heldenzeitalter der Römer beginnt im Grunde schon mit der Her¬
stellung der Republik, erhielt aber seine höchste Entwickelung erst anderthalb
Jahrhunderte nachher und dauerte dann bis zum zweiten punischen Kriege
oder bis gegen den Beginn des zweiten Jahrhunderts vor Christus fort.
Der römische Staat hatte nach der Vertreibung der Könige den Charakter
der strengsten erblichen Aristokratie angenommen, und die Tugend der aus¬
gezeichneten Männer war damals nichts anderes als dieser allgemeine
Charakter, der sich in einzelnen hervorragenden Erscheinungen offenbarte.
Eine Anzahl patricischer Güterbesitzer bildete den Kern des Staats und
setzte ihren Stolz nicht in Reichtum und Glanz, sondern in die Menge und
Anhänglichkeit ihrer Klienten. Die Könige hatten den etruskischen Glanz
gesucht, die patricische Aristokratie der Republik dagegen setzte diesem Streben
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