Full text: [2 (Mittlere Lehrstufe)] (2 (Mittlere Lehrstufe))

Leben und Sitte der römischen Heldenzeit. 
131 
warnte vor der göttlichen Strafe und der unheilbringenden Frucht des 
Übermutes, erinnerte an ähnliche Vorgänge aus dem Reiche der Mythen 
und redete die goldenen Worte der Weisheit und frommen Ergebung. 
Seine Gesänge bildeten den kunstvollsten Teil des Dramas und bewegten 
sich in hochpoetischer Rede. In übermenschlicher Größe, die Füße auf 
einem Nntersatz, den sogenannten Kothurn, gestellt, trat der Chor in 
prächtigen Gewändern, mit goldenen Kränzen im Haar, in die Pforten der 
Orchestra ein und umwandelte diese mit feierlichen, gemessenen Bewegungen 
zum Klange der Flöten, wobei ihm das heilige Lied von den Lippen floß. 
Lange vorher hatte der Dichter selbst mit der größten Sorgfalt und Mühe 
die Chorgesänge eingeübt; er selber hatte die Melodien und Gebilde des 
Tanzes ersonnen, und keine Kosten noch Mühen wurden gescheut, um seine 
Gedanken vollständig und großartig auszuführen. Die Pracht des Chores 
und seine Ausstattung war vornehmlich der Gegenstand des Wetteifers bei 
den Reichen, die von staatswegen der Reihe nach verpflichtet waren, die 
Chöre herzustellen. 
Außer dem Chore erhielt der Dichter auch noch die erforderlichen 
Schauspieler vom Staate zugewiesen, falls er nicht selbst einige ausgewählt 
hatte, die für die Darstellung seiner Stücke vorzugsweise befähigt und ein¬ 
geübt waren. Mehr als drei Schauspieler waren übrigens selten auf der 
Bühne; auch hatte jeder einzelne Schauspieler mehrere Rollen zu über¬ 
nehmen. Damit die Stimme der Spieler durch das ganze Theater hin 
gehört werden könne, befand sich in der Maske, welche sie trugen, eine Art 
Sprachrohr. 
Die Vorstellungen dauerten den ganzen Tag hindurch. Gewöhnlich 
wurden drei Stücke aufgeführt, welche mit einander in einem inneren Zu¬ 
sammenhange standen. Den Schluß machte daun ein Stück mehr oder 
weniger scherzhaften Inhalts, das sogenannte Satyrdrama. Witzschel. 
51. Leben und Litte der römischen Heldenzeit. 
Das Heldenzeitalter der Römer beginnt im Grunde schon mit der Her¬ 
stellung der Republik, erhielt aber seine höchste Entwickelung erst anderthalb 
Jahrhunderte nachher und dauerte dann bis zum zweiten punischen Kriege 
oder bis gegen den Beginn des zweiten Jahrhunderts vor Christus fort. 
Der römische Staat hatte nach der Vertreibung der Könige den Charakter 
der strengsten erblichen Aristokratie angenommen, und die Tugend der aus¬ 
gezeichneten Männer war damals nichts anderes als dieser allgemeine 
Charakter, der sich in einzelnen hervorragenden Erscheinungen offenbarte. 
Eine Anzahl patricischer Güterbesitzer bildete den Kern des Staats und 
setzte ihren Stolz nicht in Reichtum und Glanz, sondern in die Menge und 
Anhänglichkeit ihrer Klienten. Die Könige hatten den etruskischen Glanz 
gesucht, die patricische Aristokratie der Republik dagegen setzte diesem Streben 
9*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.