322
III. Sage.
Von ihm, der aus den Krallen
Des Lindwurms ihn befreit.
4. Sie zogen mit einander
Durch Syriens öden Sand,
Sie zogen mit einander
Nach Braunschweig in das Land.
5. Wo auch der Welfe wandelt,
Der Löwe ziehet mit,
Zieht mit ihm wie sein Schatten
Auf jedem Schritt und Tritt.
6. Doch als des Herzogs Auge
In Todesnöten brach,
Der Löwe still und traurig
Bei seinem Freunde lag.
7. Vergebens fing den Löwen
Man in den Käfig ein;
Er brach die Eisenstäbe,
Beim Herren mußt' er sein.
8. Beim Herzog ruht der Löwe,
Hält jeden andern fern,
Doch nach drei Tagen fand man
Tot ihn beim toten Herrn.
9. Drum mit des Herzogs Namen
Geht stolz Jahrhundert' lang
Der Löwe wie beim Leben
Noch immer seinen Gang.
Jul. Mosen.
144. Habsburgs Mauern.
1. Jn Aargau steht ein hohes Schloß,
Vom Thal erreicht es kein Geschoß.
Wer hat's erbaut,
Das wie aus Wolken niederschaut?
2. Der Bischof Werner gab das Geld,
Graf Radb o t hat sie hingestellt,
Klein, aber fest,
Die Habichtsburg, das Felsennest.
3. Der Bischof kam und sah den Bau,
Da schüttelt' er der Locken Grau,
Zum Bruder spricht:
„Die Burg hat Wall und Mauern
nicht."
4. Versetzt der Graf: „Was macht das
aus?
In Straßburg steht ein Gotteshaus,
Das bautest du,
Doch Wall und Mauern nicht dazu." —
5. Das Münster baut' ich Gott dem
Herrn,
Dem bleiben die Zerstörer fern:
Vor Feindessturm
Beschützt ein Schloß nur Wall und
Turm." —
6. „Wohl hast du recht, ich räum'es ein.
Ja, Wall und Mauern müsien sein,
Gieb morgen acht,
Ich baue sie in einer Nacht."
7. Und Boten schickt der Graf ins Thal;
Die Mannen nahn im Morgenstrahl,
Und scharenweis'
Umstellen sie die Burg im Kreis.
8. Frohlockend stößt ins Horn der Graf
Und weckt den Bischof aus dem Schlaf:
„Die Mauern stehn;
Wer hat so schnellen Bau gesehn?"
9. Das Wunder dünkt dem Bischof fremd.
Zum Erker springt er hin im Hemd
Und sieht gereiht
Der Helden viel im Eisenkleid.
10. Mit blankem Schilde Mann an Mann
Steht mauergleich des Grafen Bann,
Und hoch zu Roß
Hebt mancher Turm sich aus dem
Troß.
11. Da spricht der Bischof: „Sicherlich,
An solche Mauern halte dich:
Nichts ist so fest
Als Treue, die nicht von dir läßt.
12. „So schütze Habsburg fort und fort
Lebend'ger Mauer starker Hort,
Und herrlich schaun
Wird's über alle deutschen Gaun."
Karl Simrock.