Full text: Vierunddreißig Lebensbilder aus der deutschen Litteratur

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Anhang II. 
„Mit,St braucht man's zum Häuserbauen; 
mit Sch kannst du's beim Lichte schauen, 
mit W giebt es dem Greise Jugendkraft, 
mit B braucht man's beim Gehn und Stehn, 
mit L ist's auf dem Feld zu sehn." 
d. Das Krebsrätsel (Palindrom); das zu erratende Wort kann vor- und rückwärts 
gelesen werden, wodurch ein anderer Sinn sich ergiebt. Beispiel: 
„Liebliche Gaben bring' ich dir, bin ich ein wildes Wesen, 
nahst du dich von vorne mir. erst getötet zu brauchen, 
Aber von hinten gelesen wenn die Schüsseln von mir rauchen." 
Hell. 
6. Das doppelsinnige Rätsel (Homonym); das zu erratende Wort hat mehrere 
Bedeutungen, die ebensoviel besondere Rätsel oder Rtttselfragen ergeben. (Rückert 
S. 354). 
5. Die Satire 
ist ein Spottgedicht auf die Schwächen, Fehler und Thorheiten der Menschen; der satirische Dichter 
hält seiner Zeit einen Spiegel vor, um die Menschen zu bessern; er thut dies entweder in heiter 
spottender, oder in ernst strafender Weise. Er darf in seinen Angriffen niemals persönlich werden, 
d. h. er darf dieselben nicht in gehässiger Weise gegen einzelne bestimmte Personen richten. Satiriker: 
Seb. Brant, Narrenschiff. — Moscherosch, Gesichte. 
II. Die lyrische Poesie. 
Durch Erscheinungen und Vorgänge in der Außenwelt, durch persönliche Erlebnisse werden 
im Herzen des Menschen Stimmungen und Gefühle erregt; wenn der Dichter diese Gefühle poetisch 
zum Ausdruck bringt, wenn er in poetischer Sprache den Zustand seines Herzens offenbart, so ent¬ 
steht ein lyrisches Gedicht. Da eine bestimmte Gefühlserregung nur kurze) Zeit vorherrscht, so 
darf auch der poetische Ausdruck derselben nur kurz sein; bei umfangreicherem Stoffe, durch welchen 
verschiedene Seiten derselben Grundstimmung angeregt werden, muß der Dichter diese Gefühle in 
mehreren Gedichten ausklingen lassen, die er dann zu einem Cyclus zusammenfaßt. (Uhland, 
Frühlingslieder S. 364). 
A. Die rein lyrischen Dichtungen. 
Das Lied ist der poetische Ausdruck der Stimmungen und Gefühle des)Dichters in sprach¬ 
lich und, metrisch einfacher Form, die für den Gesang geeignet ist. 
Über das Volkslied, das Lied im eigentlichsten Sinn, (vgl. VII. Nr. 11, Einleitung 
S. 121). 
a. Das geistliche Lied. 
Es ist der Ausdruck der Gefühle, welche den Dichter in seinen Beziehungen zu Gott be¬ 
seelen, Gefühle des Vertrauens, der Ergebung, des Dankes, der anbetenden Bewunderung u. a. 
Wenn das geistliche Lied nach Inhalt und Sprache allen, auch dem gewöhnlichen Manne 
verständlich ist, wenn dieser sich unmittelbar davon ergriffen fühlt, und wenn die poetische Form 
(Vers- und Strophenbau) das Lied leicht sangbar, also für den öffentlichen GottesdiensOverwend- 
bar macht, so wird es ein Kirchenlied. Unsere evangelische Kirche besitzt einen unerschöpflich 
reichen und kostbaren Schatz von Kirchenliedern, die samt ihren Verfassern vom Religionsunter¬ 
richt her bekannt sind (S. 164.) 
Geistliche Lieder besitzen wir von Gellert (S. 170), Klopstock (S. 179), Novalis, Arndt 
(S. 325), Spitta (S. 401), Sturm (S. 403), Knapp (S. 401), Gerok (S. 405). 
d. Hymnen und Oden 
sind verwandte Dichtungsarten; in beiden singt der Dichter in tiefster Ergriffenheit und Bewegung 
der Seele von dem Erhabensten der übersinnlichen Welt und des Menschenlebens, zu dem er voll 
Ehrfurcht und Begeisterung aufschaut. Daraus ergiebt sich, daß sich der Dichter nicht so streng 
an die rhythmischen Gesetze binden kann, daher so viele ungleiche Verse, Strophen, daher der 
Mangel des Reims. Die Hymne ist ein Lobgesang auf Gott und das Göttliche. Die erhabensten 
Hymnen besitzen wir in den Psalmen. Die Ode dient zur Verherrlichung erhabener Personen 
und Gegenstände aus dem Weltleben (Preis des Gesanges, des Vaterlandes, großer Männer). 
Odendichter: Klopstock (S. 179), Schiller, Goethe. 
c. Die Elegie. 
Die Elegie ist eine Klage um ein entschwundenes Glück;, voll Trauer und Wehmut versenkt 
sich der Dichter in die Erinnerung. Die eigentliche alte Form der Elegie ist das Distichon, aber 
auch die Strophenform mit und ohne Reim kommt vor. Walther v. d. B. (S. 51, Nr. 8.) 
Klopstock (S. 180, Nr. 2). Claudius (S. 288, Nr. 7-9.) Freiligrath (Bilderbibel^S. 438).
	        
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