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für Menschen ober Thiere übrig blieben. Alle Christen, deren Treue irgend 
zweifelhaft erschien, wurden aus Jerusalem vertrieben, und nur wenigen 
gegen Zahlung großer Summen der längere Aufenthalt gestattet. Einzelne 
endlich, welche früher den muhammedanischen Glauben angenommen hatten, 
traten im Vertrauen auf die nahende Hilfe zum Christenthum zurück und 
eilten in das Lager der Pilger; so Hugo Buduellus, ein normannischer 
Ritter, der eines Mordes wegen aus seinem Vaterlande vertrieben und 
nach vielem Umherirren zu den Türken übergegangen war. Er bereute 
jetzt seine doppelte Schuld und wurde den Pilgern bei seiner Kenntniß von 
der Sprache und den Sitten der Türken und Araber sehr nützlich. 
Durch die Gefahren bedrängt und durch Belohnungen aufgemuntert 
hatten sich die Bewohner der benachbarten Städte nach Jerusalem begeben; 
man zählte an 40000 bewaffnete Vertheidiger, wogegen sich im Heere der 
Kreuzfahrer nur etwa 20000 rüstige Fußgänger und 1500 Ritter befanden, 
obgleich mit Einschluß der Alten, Kranken, Genesenden und Weiber die 
Zahl der Belagerer und Belagerten gleich sein mochte. 
4. Am Tage nach der Ankunft, am 7. Junius des Jahres 1099 
umlagerten die Fürsten Jerusalem auf der Seite gegen Mitternacht und 
gegen Abend. Der Herzog pon Lothringen stand mit den Seinen vor der 
Burg Davids, wo die heftigsten Angriffe zu besorgen waren, neben ihm 
zur linken Tankred und der Graf von Toulouse, dann der Graf von 
Flandern, nordwärts endlich vor dem Stephansthore Graf Robert von der 
Normandie. Uneingeschlossen blieb dagegen die Stadt von der Ost- und 
Südseite; denn die höheren Berge, der geringe Raum und das Thal Josa¬ 
phat erschwerten hier jeden Angriff, und erst später wurden Abtheilungen 
zur Bewachung des Olberges ausgesandt. Um die Kirche der Mutter 
Gottes, welche im Süden und außerhalb der Stadt lag, besser schützen zu 
können, schlug der Graf von Toulouse bald nachher eigenmächtig sein Lager 
näher am Zionsthore auf und wurde deßhalb von allen seinen Rittern ver¬ 
lassen; da sie aber seine Reichthümer nicht entbehren konnten, söhnten sie 
sich wieder mit ihm aus. 
Am fünften Tage der Umlagerung Jerusalems wagten die Pilger einen 
allgemeinen Sturm und eroberten nach langem und hartnäckigem Kampfe 
die äußere Mauer. Als sich aber die Belagerten nunmehr hinter die höhere, 
innere Mauer zurückzogen, blieben alle Angriffe vergeblich, und die, welche 
zu" kühn auf Leitern Hinanstiegen, wurden in die Tiefe hinabgestürzt. Man 
sah ein, daß die Stadt ohne Belagerungswerkzeuge nicht zu erobern sei; ch 
aber große Sorge entstand, woher man das Holz zu diesen Werkzeugen 
nehmen sollte; denn weit und breit um Jerusalem zeigten sich durchaus keine 
tauglichen Bäume. Da führte endlich ein syrischer, der Gegend kundiger 
Christ die Franken gen Neapolis (Sichern), wo sie in einem Thale, wenige 
Meilen von Jerusalem, Stämme fanden, zwar nicht so stark und hoch, als
	        
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