Geistige Kultur und Wirtschaftsleben im 19. Jahrhundert. 319
bereichert. Berühmte Namen sind: Novalis (geistliche Lieder), Tieck
-(altdeutsche Sagen und Märchen), Schlegel (Shakespeare-Übersetzung), Bren-
tano („Des Knaben Wunderhorn"). Geistesverwandte sind Chamisso,
Rückert und Eichendorff, ferner die schwäbischen Dichter (Uhland,
Kerner, Schwab). Mehr nach klassischer Form strebt Platen. Zu den
deutschen Dichtern zählen auch der österreichische Dramatiker Grillparzer
(»Ahnsrau"), der deutsch-ungarische Lyriker Leu au und der in Paris
lebende Heine. Ähnliche Ziele, wie Tieck und Brentano, verfolgten die
Sprachforscher Simrock und Wrüder Oriurm; besonders die letzteren haben
in den wiederbelebten „Kinder- und Haus Märchen" der deutschen
Jugend einen köstlichen Schatz hinterlassen.
Die romantischen deutschen Tonkünstter pflegen ebenfalls das Volks-
tümliche und Märchenhafte, so Weber (Freischütz, Oberon), Schubert, Men-
belssohn, Schumann (Lieder). Der sog. dramatische Tondichter Wichard
Wagner ftimmt insofern mit den Romantikern überein, als er mit Vorliebe
leine Stoffe aus der germanischen Sagenwelt und Vorzeit wählte (Tann-
Häuser, Lohengrin, Tristan und Isolde, Meistersinger, Nibelungenring, Parsisal).
Die bildenden Mnste blieben länger unter dem Einfluß der klassischen
Vorbilder als z. B. die Dichtkunst. Hauptsitz der ersteren war München
bzw. Bayern unter Ludwig I. Doch traten Berlin, Dresden und
Düsseldorf in edlen Wettbewerb. Von deutschen Künstlern sind noch zu
nennen: die Bildhauer ^-chadow (Siegesgöttin auf dem Brandenburger
Tor in Berlin, Lutherdenkmal in Wittenberg), Rauch (Denkmal Friedrichs
des Großen in Berlin) und Rietschel (Schiller-Goethestatue in Weimar); der
Baumeister Schinkel (Museum in Berlin). Die auch auf diesem Gebiet
allmählich durchbrechende Begeisterung für die vaterländische Ver¬
gangenheit zeigt sich in dem eifrigen Bestreben, die mittelalterlichen Bau-
Denkmäler, besonders die ehrwürdigen Dome, in ihrer ursprünglichen Schön¬
heit wiederherzustellen. Nachdem Ludwig I. von Bayern mit Regensburg,
Bamberg und Speier den Anfang gemacht, wurde der Ausbau des Kölner
Aoms Herzenssache des deutschen Volkes.
Was aber dem 19. Jahrhundert sein eigentliches Gepräge gab, war
der großartige Aufschwung der Wissenschaften, hauptsächlich der
Naturwissenschaften in Verbindung mit der Technik. Die letzteren
haben denn auch das ganze geistige, politische, gesellschaftliche und wirt-
schaftliche Leben der Kulturmenschheit von Grund aus umgestaltet. Die
vielseitige Verwendung des Aampses, der Elektrizität sowie der
Waschine bildet sozusagen die Hauptgrundlage der modernen Kultur.
Von den Naturforschern ragt durch umfassendes Wissen hervor ACe*ant><?r f
v. Kumvoldt („Kosmos"). Ungleich einflußreicher aber waren die Männer, 1859
welche die Naturwissenschaften praktisch anwendeten, z. B. Watt (um 1800,
Dampfmaschine), Fulton (um 1807, Dampfschiff), Stephenson (um 1830,
Eisenbahn), Gauß, Weber und Morse (um 1837, Telegraph), Graham Bell
(1877, Telephon), ferner in unserer Zeit Edison und Siemens (Aus¬
nutzung der Elektrizität). Sehr wichtig ist auch die Erfindung und Aus-
bilduug der Photographie.