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nehmen, die holden Schwächen der Natur an sich tragen und zur Versöhnung 
mit diesem Lose erschlaffend stimmen, so üben die Schillerschen eine gesteigerte 
Tugend aus, oft abstrakte Geschöpfe, die nach den Forderungen des kategorischen 
Imperativs handeln und anspannend Bewunderung hervorrufen. Goethe 
reizte diese höchste Tätigkeit der moralischen Natur nicht, für Schiller war sie 
überhaupt das Höchste; jenem war das süße Seelenleiden in inneren Kämpfen 
der letzte Prüfstein mehr der menschlichen Fassung als Stärke, diesem die 
gewaltigen Reibungen des menschlichen Willens mit dem Zwang der Geschicke 
die Probe der Kraft und Freiheit. Er fand wie Shakespeare die heroische 
Stärke des Coriolan seiner höchsten Achtung wert, die Goethe Grauen erregte, 
und selbst die eines Timoleon!) reizte ihn, die Goethe noch größern Schauder 
verursacht haben würde. Der Heroismus der Sitte, der dem tragischen Helden 
überall so leicht anklebt, ist bei Goethe nicht zu finden, bei Schiller nimmt er 
nur eine veränderte Gestalt an. Die menschliche Natur hat ein gemessenes Teil 
Poesie in sich, ein anderes wird ihr angedichtet und durch Aneignung wieder 
zu einer Art Natur; und diese Art erscheint bei Schiller. Die instinktive 
Moral und Dichtung Goethes ist wie eine Flamme in sich selbst entzündet, 
die Schillers ein Feuer aus dem Stein geschlagen; die Charaktere des einen 
sind überall der Natur entnommen, die des andern oft ihr entgegengebracht. 
Er achtete daher, sagte Goethe, das Motivieren nicht; er sah seinen Gegen— 
stand nur von außen an, eine stille Entwickelung aus dem Innern war nicht 
seine Sache. Der Geist und die Freiheit, die bei Goethe vielleicht zu selten 
erscheinen, erscheinen hier zu häufig, und wo Goethes Dichtung mit den Worten: 
„erst wahr und dann schön“ charakterisiert ist, ist es bei Schiller umgekehrt: 
erst schön, dann wahr. Bei Betrachtung seiner weiblichen Charaktere gegen die 
Goethes und der Ansichten, die er über weibliche Natur äußert, ist der Unterschied 
am schlagendsten. Über die sämtlichen Frauencharaktere der griechischen 
Dichtung spricht er ein wegwerfendes Urteil aus; die schöne Seele im „Wilhelm 
Meister“ war ihm lieber als alle. Humboldt überdachte sein Verhältnis 
zu Goethes Frauencharakteren, in denen „die Natur am meisten Natur ist“; 
er fand, daß sie Schiller schwieriger werden würden, er hätte sagen dürfen: 
unmöglich. 
Vortrefflich bemerkt er dann, daß Schiller der Natur, ehe sie auf ihn 
einwirke, entgegeneile, daß er nicht sowohl aus ihr schöpfe, als nur, durch sie 
begeistert, ihr Bild in sich mit eigener Kraft schaffe und daß dies seinen 
Figuren einen gewissen Glanz leihe, der sie von Naturwesen unterscheide, daß 
er dadurch der Natur weniger treu erscheine. Und hierzu fügt er den Zweifel 
über den Vorzug der beiden Eigenschaften der Naturtreue und Natursteigerung, 
des poetischen Realismus und Idealismus, der in jedem natürlich aufsteigen 
muß, der die Neigungen der Menschheit von jeher hierzwischen geteilt sieht. 
„Es verdient erwogen zu werden“, sagt er, „ob nicht die dramatische Poesie 
mehr als jede andere verlangt, daß der Dichter unmittelbar aus der Natur 
schöpfe. Nirgends will man so unmittelbar durch die Wirklichkeit gerührt sein. 
Vielleicht aber geht man auch hierin zu weit; und es rührt dies aus einer 
nicht ganz reinen ästhetischen Stimmung her, die unter dem Namen Natur 
) Timoleon, 410 —343 v. Chr., korinthischer Staatsmann, Befreier der Stadt 
Syrakus von der Tyrannis des jungen Dionysios, opferte den eigenen Bruder, weil 
dieser nach der Alleinherrschaft in Korinth strebte.
	        
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