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denn dort waltete der greise und weise Kaiser Wilhelm als Schiedsrichter
und Hort des Friedens. Sein treuer Helfer dabei war sein großer Kanzler
Fürst Bismarck. Mit Österreich und Italien schloß Deutschland den
Dreibund zur Erhaltung des Friedens. In Afrika und Australien wurden
deutsche Ansiedelungen angelegt. Deutsche Kriegsschiffe beschützten die
Deutschen im Auslande und wahrten die Ehre des deutschen Namens. Im
Innern des Reiches schritt das Werk der Einigung stetig fort durch den
Reichstag, d. h. die 397 Abgeordneten des deutschen Volkes, und den
Bund es rat, d. H. die 58 Vertreter der 26 Bundesstaaten, aus denen das
deutsche Reich besteht/ In allen deutschen Staaten haben wir jetzt gleiche
Münzen, Maße, Gewichte, Gesetze, Militär-, Post- und Eisen¬
bahneinrichtungen. Durch den Weltpostverein sind jetzt Briefe, Geld
und Waren billig und rasch in alle Welt zu senden. Alle Zweige der
Arbeit und des Erwerbs, des Handels und Verkehrs, der Kunst und
der Wissenschaft wurden gehoben, neue Straßen und Kanäle angelegt,
in Posen und Westpreußen Landgüter angekauft und mit Deutschen be¬
siedelt, Berlin verschönert, z. B. durch das neue Reichstagsgebäude, herr¬
liche Denkmäler errichtet, z. B. das Niederwaldsdenkmal (bei Rüdesheim
a./Rhein) und das Hermannsdenkmal (bei Detmold auf dem Teutoburger¬
walde), viele Schulen gebaut und der Unterricht verbessert. Die äußere
Mission sucht die Heiden zu bekehren, die innere Mission ctkr Not und
Elend in der Christenheit zu lindern. Gesittung und Wohlstand wuchsen
zusehends im Sonnenschein des Friedens.
8. Der unermüdliche Landesvater. Unermüdlich hat der edle Kaiser
für sein Land und Volk gesorgt. Einige Aussprüche von ihm sind: „Ich,
achte es viel höher, geliebt zu sein, als gefürchtet zu werden." — „Ich bin
glücklich, wenn Preußens Volk glücklich ist." — Noch auf dem Totenbette
flüsterte er: „Ich habe keine Zeit, müde zu sein!"
Er schlief auf einem schlichten Feldbette, das er auch auf Reisen mit¬
nahm. Schlafrock und Schlafschuhe trug er niemals. Er stand früh auf,
las die eingegangenen Briefe und verhandelte mit den Ministern. Am
Mittag stand er an dem Eckfenster seines Schlosses und sah zu, wie die
Wache auszog. Viel Volk strömte um die Zeit zusammen, um ihn zu sehen
und zu begrüßen. Manche hielten Bittschriften in die Höhe, die er durch
Diener abholen ließ. Kaiser Wilhelm war eine hohe, königliche Erscheinung.
Milder Ernst und herzliche Freundlichkeit sprachen aus seinem Antlitz. Nach
Mittag fuhr der Kaiser wohl spazieren, empfing und hörte höhere Beamte.
Nach der Mahlzeit besuchte er abends gern das Schauspielhaus, arbeitete
dann aber oft bis Mitternacht Im Sommer reiste er zu feiner Erholung
in ein Bad und gewann da alle Herzen durch feine Leutseligkeit. Im Herbste
wohnte er den großen Manövern oder Heerübungen bei. Stets hielt er auf
die größte Pünktlichkeit, Ordnung und Einfachheit.
9. Der väterliche Freund des armen Mannes. Unter den besitz¬
losen Arbeitern, die sich nur durch ihrer Hände Arbeit nähren, herrscht oft
Not und Elend, besonders wenn sie keine Arbeit finden, krank und alt
werden. Mehr und mehr entstand eine große Unzufriedenheit unter ihnen,
die durch Aufhetzer noch geschürt wurde. Das ging dem guten alten Kaiser
zu Herzen. Auch diesen armen und schwachen Unterthanen wollte er helfen.
Er sagte: „Meine Hand soll das Wohl und das Recht aller in allen
Schichten der Bevölkerung hüten!" Durch feine kaiserliche Botschaft im
Herbst 1881 veranlaßte er ben Reichstag, Gesetze zum Schutze der Arbeiter
Po lack. Geschichtsbilder. 7