Das ost- u. westfränk. Reich bis zum Tode Ludwjgs d. Deutschen. 844 — 876. 379
d. K. auf. Judith vermählt sich wider den Willen des Yaters
mit dem Grafen Balduin von Flandern und flieht, von den west¬
fränkischen Bischöfen gebannt, unter den Schutz Lothars ü., Lud¬
wig verbündet sich mit dem Bretonenlierzog Salomon und verwü¬
stet die Grafschaft Anjou, vermählt sich auch mit Ansgardis, der
Tochter des Grafen Harduin; Karl von Aquitanien nimmt die
Witwe des Grafen Humbert zur Gemahlin. Karl d. K. tagt mit
den Grofsen Anfang Juni zu Pistres und beginnt den Bau von
Befestigungsanlagen längs der Seine gegen die Norman¬
nen; darauf hat er in Meung eine Unterredung mit Karl, infolge
deren dieser nach Aquitanien zurückkehrt. Bald nachher söhnt
sich auch Ludwig mit seinem Yater wieder aus, mufs jedoch
auf die Verwaltung Neustriens verzichten/ Ludwig d. D. ver-
f) Karl der Kahle machte in diesem Jahre mancherlei trübe Erfahrungen
innerhalb seiner Familie. Seine Tochter Judith, die sich nach dem Tode ihres
Gemahles, des angelsächsischen Königs Ethelwolf 858, mit ihrem Stiefsohne
Ethelbald vermählt hatte, jedoch durch den Willen der Geistlichkeit und des
Volkes von England zur Auflösung dieser blutschänderischen Verbindung und
zur Rückkehr nach dem Reiche ihres Vaters gezwungen worden war (vgl. ann.
bertin. 858. 862, p. 56), reichte 862 dem Grafen Balduin Eisenarm von Flan¬
dern ihre Hand. Ihr Bruder Ludwig (der Stammler), mit dessen Zustimmung
sie gehandelt, fiel um dieselbe Zeit von seinem Vater ab und begab sich zu
den Unzufriedenen an die bretonischen Grenzen. Karl erhielt diese üblen
Nachrichten zu Soissons; er liefs durch die anwesenden Bischöfe über Judith
und Balduin den Bann aussprechen und nahm seinem Sohne das Martinskloster
zu Tours, das er ihm 860 verliehen hatte. Lothar II. gewährte dem flüchtigen
Paare Aufnahme in sein Reich und forderte dadurch die offene Feindseligkeit
Karls gegen sich heraus, die in der Übergabe des Martinsklosters an Abt Huk-
bert von S. Maurice einen unzweideutigen Ausdruck fand (Ende April, vgl. die
Urkunden Karls für das Martinskloster vom 26. April und 10. Mai, Böhmer
1702. 1704), vgl. ann. bertin. 862 p. 57 f. Hludowicus denique — Salomonem
(den Bretonenherzog, Nachfolger des von ihm ermordeten Erispoi [ann. bertin.
852]) adit, vaiidam Brittonum manum optinet et cum eis Rotbertum, patris
fidelem (Graf Robert der Tapfere von Anjou, früher Gegner Karls, seit 861
mit ihm ausgesöhnt, ann. bertin. 861 p. 55; vgl. über ihn und seine Familie
— er war ein Deutscher — AVenck, Die Erhebung Armüfs 87 f., Dümm-
ler I, 428 n. 11), impetit, Andegavum (Angers) et alios, quae adrre potnit,
pagos — devastat. Rodbertus siquidem Brittones redeuntes cum maxima
depraedatione aggreditur (er hatte kurz zuvor die aus der Seine abziehenden
! Normannen um 6000 Pf. gegen die Bretonen in Sold genommen) et plus quam
200 Brittonum proceres occidit et praedam excutit. Quem iterum Hludowicus
bello quaerit, in fugam ab eo vertitur et, dispersis socüs, vix evasit, ann.
j bertin. p. 58. Das Beispiel, welches Judith und Ludwig gegeben, übte auch