Full text: Auswahl aus der deutschen Dichtung in ihrer geschichtlichen Entwicklung (Teil 4a = Erg.-Bd. (Poesie))

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2. Ewig aus der Wahrheit Schranken 
Schweift des Mannes wilde Kraft, 
Unstet treiben die Gedanken 
Auf dem Meer der Leidenschaft, 
Gierig greift er in die Ferne, 
Nimmer wird sein Herz gestillt, 
Rastlos durch entlegne Sterne 
Jagt er seines Traumes Bild. 
3. Aber mit zauberisch fesselndem Blicke 
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke, 
Warnend zurück in der Gegenwart Spur. 
In der Mutter bescheidener Hütte 
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte, 
Treue Töchter der frommen Natur. 
4. Feindlich ist des Mannes Streben, 
Mit zermalmender Gewalt 
Geht der wilde durch das Leben, 
Ohne Rast und Aufenthalt. 
Was er schuf, zerstört er wieder, 
Nimmer ruht der Wünsche Streit, 
Nimmer, wie das Haupt der Hyder 
Ewig fällt und sich erneut. 
-5. Aber zufrieden mit stillerem Ruhme 
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume, 
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß, 
Freier in ihrem gebundenen Wirken, 
Reicher, als er, in des Wissens Bezirken 
Und in der Dichtung unendlichem Kreis. 
6. Streng und stolz, sich selbst genügend, 
Kennt des Mannes kalte Brust, 
Herzlich an ein Herz sich schmiegend, 
Nicht der Liebe Götterlust, 
Kennet nicht den Tausch der Seelen, 
Nicht in Tränen schmilzt er hin; 
Selbst des Lebens Kämpfe stählen 
Härter seinen harten Sinn. 
7. Aber, wie leise vom Zephir erschüttert 
Schnell die äolische Harfe erzittert, 
Also die fühlende Seele der Frau. 
Zärtlich geängstigt vom Bilde der Qualen, 
Wallet der liebende Busen, es strahlen 
Perlend die Augen von himmlischem Tau.
	        
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