Full text: Auswahl aus der deutschen Dichtung in ihrer geschichtlichen Entwicklung (Teil 4a = Erg.-Bd. (Poesie))

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3. Die Wolke seh' ich wandeln und den Fluß, 
Es dringt der Sonne goldner Kuß 
Mir tief bis ins Geblüt hinein; 
Die Augen, wunderbar berauschet, 
Tun, als schliefen sie ein, 
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. 
4. Ich denke dies und denke das, 
Ich sehne mich und weiß nicht recht, nach was: 
Halb ist es Lust, halb ist es Klage; 
Mein Herz, o sage, 
Was webst du für Erinnerung 
In golden-grüner Zweige Dämmerung! — 
Alte, unnennbare Tage! 
5. dm JVKtternacbt. 
1. Gelassen stieg die Nacht ans Land, 
Lehnt träumend an der Berge Wand, 
Ihr Auge sieht die goldne Wage nun 
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn; 
Und kecker rauschen die Quellen hervor, 
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr 
Vom Tage, 
Vom heute gewesenen Tage. 
2. Das uralt alte Schlummerlied, 
Sie achtet's nicht, sie ist es müd'; 
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch, 
Der slücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch. 
Doch immer behalten die Quellen das Wort, 
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort 
Vom Tage, 
Vom heute gewesenen Tage. 
6. Denk es, o Seele. 
1. Ein Tännlein grünet wo, 
Wer weiß, im Walde, 
Ein Rosenstrauch, wer sagt, 
In welchem Garten? 
Sie sind erlesen schon, 
Denk es, o Seele, 
Auf deinem Grab zu wurzeln 
Und zu wachsen. 
2. Zwei schwarze Rößlein weiden 
Auf der Wiese, 
Sie kehren heim zur Stadt 
In muntern Sprüngen. 
Sie werden schrittweis gehn 
Mit deiner Leiche; 
Vielleicht, vielleicht noch, eh' 
An ihren Hufen 
Das Eisen los wird, 
Das ich blitzen sehe.
	        
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