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Der 3. Akt ist der Mittelpunkt der Handlung; er bringt den Konflikt und die
Krisis auf den Höhepunkt. Gesonderte Handlungen müssen im 3. Akt inein¬
andergreifen.
Der 4. Akt enthält die Entwickelung der dramatischen Krisis zur Peripetie,
zum Glücksumschwung.
Der 5. Akt enthält die Katastrophe oder die Entscheidung, die Lösung des
Knotens. Die Kunst des Dichters besteht darin, den Verlauf der dramatischen
Handlung von der Peripetie bis zur Katastrophe noch spannend zu erhalten.
Jeder Akt zerfällt wieder in Scenen oder Auftritte, deren Anfang durch das
Auftreten neuer Personen bedingt wird.
5. Die poetische form des Dramas.
Im Drama wird der Dialog (Wechselrede, Rede und Gegenrede) angewandt,
selten der Monolog (Selbstgespräch). Letzteren benutzt der Dichter als Ruhepunkt,
um uns vor oder nach einem entscheidenden Schritt der handelnden Personen einen Ein¬
blick in ihr innerstes Seelenleben und in die Beweggründe ihres Handelns tun zu lassen.
Über die metrische Form der in gebundener Rede abgefaßten Dramen vgl. S. 579.
H. Hrten des Dramas.
a) Die Cragödie oder das Trauerspiel zeigt einen Helden voll Willenskraft
und Leidenschaft, der einen großen Zweck verfolgt, sich aber im Streben nach seinem
Ziel gegen die bestehende Weltordnung oder das Schicksal auflehnt, eine sittliche Schuld
auf sich lädt und dabei unterliegt.
Nach Aristoteles soll die Tragödie Mitleid und Furcht erregen; dies kann sie aber
nur dann, wenn der tragische Held sittlich weder ein vollkommener noch ein ver¬
worfener Mensch ist; denn das Leiden des ersteren bewirkt bloß Trauer, das des
letzteren Befriedigung. Die Schuld des Helden darf also bloß eine, wenn auch große,
menschliche Verirrung sein. Vgl. Herder: „Die tragische Muse", S. 195 dieses
Buches.
b) $)ie Komödie oder das Lustspiel hat keine ernsten erschütternden Konflikte.
Es bringt Menschen des alltäglichen Lebens durch ihre Schwächen in Konflikt und
führt durch drollige Verwickelungen und Verwechselungen zu einer heiteren Lösung.
o) Das Schauspiel oder Drama (im engeren Sinne) steht in der Mitte
zwischen Tragödie und Komödie. Im Schauspiel geraten edle Charaktere im Kampfe
um erstrebenswerte Güter in ernste Konflikte, aus denen sie als Sieger hervorgehen.
(Vgl. Schillers Tell.)
d) Das musikalische Drama oder die Oper ordnet den Text ganz der Musik
unter und hat abgesehen von den Werken Richard Wagners meistens nur geringen
dichterischen Wert.
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