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Wohlfahrtspolizei zu versuchen. In Deutschland gingen wenigstens die 
größeren Territorialfürstentümer in gleichem Sinne vor, wie es auch die 
italienischen Stadtrepubliken schon früher getan hatten. 
Sehr stark war anderseits die Rückwirkung, die auf die Staaten durch 
die Ausbreitung der Geldwirtschaft ausgeübt wurde. Sie mußten ihr ganzes, 
bis dahin noch überwiegend naturalwirtschaftliches Haushaltsystem um¬ 
gestalten und sich neuen finanziellen Bedingungen der Kriegführung anpassen. 
Kein Wunder, wenn nunmehr die Heranziehung von möglichst vielem Gold 
und Silber als die Hauptaufgabe der Volks- und Staatswirtschaftspolitik galt. 
Wilhelm Lexis. 
50. Bas Zeitalter der Renaissance und der Reformation. 
Der Geschichtschreiber der Bildung und des Bildungswesens begegnet 
überall einer zunächst befremdenden Erscheinung: der danklosen, ja verächt¬ 
lichen Abwendung, womit sich ein neues Zeitalter von dem älteren, durch 
das es seine Erziehung und Bildung empfangen hat, losreißt. Nirgends 
tritt diese Erscheinung leidenschaftlicher Auflehnung gegen die überkommene 
Bildung in schärferer Ausprägung hervor als bei dem Übergang vom Mittel¬ 
alter zur Neuzeit. Mit unbedingter Verachtung warf die Generation, die 
um die Wende des 15. Jahrhunderts ihre Jugend erlebte, alles von sich, 
was sie empfangen hatte, einem neuen Bildungsideal nachjagend. So groß 
die Anstrengungen und die Erfolge des vorausgegangenen Zeitalters, wenn 
nicht für die Erhöhung des Standes wissenschaftlicher Erkenntnis, so doch 
für die Ausbreitung der überlieferten Wissenschaft und die Steigerung der 
intellektuellen Kräfte gewesen waren, so wenig hören wir dafür von seiten 
der jungen Generation jemals ein Wort der Anerkennung, sondern lediglich 
ein unablässiges und nicht selten ins Tobsüchtige fallendes Schimpfen und 
Schelten auf die alte Schul- und Universitätsbildung und ihre Träger. 
Die Barbarisieruug der Welt durch die scholastische Philosophie, durch die 
ThomasZ und Scotus^), das ist das immer wiederkehrende Thema der 
humanistischen Eloquenz; und die Kehrseite: die enthusiastische Lobpreisung 
der neuen Bildung: die Bildung durch das Altertum und seine Literatur 
eine Art neuer Geburt, wodurch aus dem natürlichen Menschen erst ein 
geistiger, ein wahrer Mensch werde. 
Versuchen wir die herrschenden Tendenzen der großen und universellen 
geistigen Bewegung, die wir als Renaissance zu bezeichnen gewöhnt sind, 
1) Thomas von Aquino (1225—1274) führte die Scholastik auf ihren Höhepunkt, 
indem er die aristotelische Philosophie der Kircheulehre anpaßte. 
2) Tuns Scotus -s 1308, kritischer Gegner des Thomas.
	        
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