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Hamlet heißt: „Zwischen sie und ihr Seel' im Kampf treten" aufklärend 
und erleuchtend wirken, die Tatsachen richtig, mit ihren Licht- und Schatten¬ 
seiten darstellen, und nicht nur selbst die Überzeugung von dem sittlichen 
und wirtschaftlichen Wert unserer kolonialen Arbeit gewinnen, sondern sie 
auch der neuen Generation mitteilen, ans daß Deutschland der Ehre und 
des Nutzens, welchen ein blühender Kolonialbesitz mit sich bringen wird, 
nicht verlustig gehe und hinter seinen Rivalen nicht zurückbleibe aus 
Kleinmut, ans Mißverständnis und aus Übelwollen. Meine Herren, in 
unserer Nation schlummern — wir haben das bei mancher ernsten Gelegen¬ 
heit gesehen — viele und starke Kräfte, die bereit sind, sich in den Dienst 
einer großen nationalen Aufgabe zu stellen. Helfen Sie uns, diese 
Kräfte zu lösen! An Sie, die Hüter der Kulturgüter unserer Nation, an 
die Führer und Lehrer unserer heranwachsenden Geschlechter geht im 
nationalen Interesse unsere Bitte, helfen Sie uns, den Impuls zu erwecken, 
ohne den nach einem Bismarckschen Worte keine Kolonialpolitik Erfolg 
haben kann! Bernhard Dernburg. (Gekürzt.) 
III. Zuv Krrrrst. 
61. Das Wesen des Schönen?) 
Der Mensch muß schaffen und bilden, die Notdurft des Lebens drängt 
ihn dazu. Will er einen Schutz vor Regen und Kälte haben, muß er sich 
ein Dach zimmern, sein Haus bauen; will er den Durst stillen, muß er das 
Gefäß formen, dazu sich sein Handwerkszeug rüsten. Zu dem allen treibt 
ihn die eiserne Notwendigkeit; dem nüchternen Zwecke der Nützlichkeit dient, 
was er gestaltet. — Aber der Mensch, der, nach einem tiefen Wort, „die 
Ewigkeit im Herzen" trügt und in sich noch andere Strebungen weiß als die 
nach Befriedigung des gemeinen Nützlichkeitstriebes, läßt sich daran nicht 
genügen. Da steht der braune Geißbub der Alm auf moosigem Felsblock 
und überschaut mit Herrscherblick seine kleine scheckige Herde. „Die weiß 
und braune Lies ist aber doch die schönste, wie flink und schlank sie ist, 
wie klug sie sich umschaut!" so meint er stolz. Und dabei geht ihm das 
Herz auf, er kann es nicht lassen, er windet den schönsten Blumenkranz, 
die „weiß und braune Lies" damit zu schmücken. Was er so geschaffen, 
dient es wohl auch dem Zwecke der Nützlichkeit? Gewiß nicht. — Oder 
in seiner stillen Klosterzelle sitzt einsam der Mönch, gebeugt über den alten, 
kostbaren Folianten, ihn sorgsam abzuschreiben. Aber schaust du ihm über 
1) Vgl. unter A. Nr. 5: Das griechische Schönheitsideal.
	        
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