Full text: Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts

Heinrich von Kleist. 
29 
Chor. 
Frei auf deutschen: Grunde walten 
Laßt uns nach dem Brauch der Alten, 
Seines Segens selbst uns freun, 
Oder unser Grab ihn sein! 
Das letzte Lied. 
(Nach dem Griechischen, aus dem Zeitalter Philipps von Macé¬ 
donien.) 
Fernab am Horizont auf Felseurissen 
Liegt der gewitterschwarze Krieg getürmt. 
Die Blitze zucken schon, die ungewissen, 
Der Wandrer sucht das Laubdach, das ihn schirmt; 
Und wie ein Strom, geschwellt von Regengüssen, 
Ans seines Ufers Bette heulend stürmt, 
Kommt das Verderben mit entbundnen Wogetl 
Auf alles, was besteht, herangezogen. 
Der alten Staaten graues Prachtgerüste 
Sinkt donnernd ein, von ihm hinweggespült, 
Wie auf der Heide Grund ein Wurmgeniste 
Von einem Knaben scharrend weggewühlt; 
Und wo das Leben um der Menschen Brüste 
In tausend Lichtern jauchzend hat gespielt, 
Ist es so lautlos jetzt, wie in den Reichen, 
Durch die die Wellen des Kocytus schleichen. 
Und ein Geschlecht, von düsterm Haar umflogen, 
Tritt aus der Nacht, das keinen Namen führt, 
Das wie ein Hirngespinst der Mythologen 
Hervor aus der Erschlagnen Knochen stiert; 
Das ist geboren nicht und nicht erzogen 
Vom alten, das im deutschen Land regiert: 
Das läßt in Tönen, wie der Nord an Strömen, 
Wenn er im Schilfrohr seufzet, sich vernehmen. 
Und du, o Lied voll unnennbarer Wonnen, 
Das das Gefühl so wunderbar erhebt, 
Das, einer Himmelsurne wie entronnen, 
Zu den entzückten Ohren niederschwebt,
	        
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