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35. Arm
Im Schnee, da watet des Volkes Kind,
Der Füße Spur verwehet der Wind;
Es flattert im Sturme das dünne Kleid.
,,Du armer Mann, ist dein Weg sehr weit?"
,,Es trieb mich hinaus die gräßliche Noth;
Ich hatte daheim weder Feuer, noch Brod;
Da ging ich nach Arbeit ins Weite hinaus;
Man brauchte mich nicht; — leer kehr' ich
nach Haus!"
Die Thoren lassen mich selten ruhn;
Der Weise giebt mir wenig zu thun;
Nur einfach hat mich der Biedermann,
Doch doppelt der Falschheit und Arglist
spann.
und Reich.
Es sitzt der Reiche am warmen Kamin,
Die Wolken des Pfeifchens durch's Stübchen
ziehn;
Er blickt in die Zukunft, er denket zurück,
Es fehlet ihm nichts zu seinem Glück.
Da, guter, lieber, reicher Manu,
Denkst du erbarmend auch daran,
Wie in des Armen kaltem Haus
Der Hunger wohnt und Noth und Graus?
Kess.
i t h s e l.
Mich faßt die Gerechtigkeit scharf ins Gesicht,
Indem sie wäget auf ihrer Wage,
Und dennoch dreschen alle Tage
Mit mir Rechtsverdreher vor Gericht.
<Langöein.
37. Räthsel.
Ein Fremdling bin ich den Bewohnern der Erde,
Des Wassers, der Luft und des Lichts.
Ja, wisse, mich schuf kein göttliches Werde,
Und willst du mich finden, so suche nichts.
Hang,
38. Räthsel.
Unter allen Schlangen ist Eine
Auf Erden nicht gezeugt,
Mit der an Schnelle Keine,
An Wuth sich Keine vergleicht.
Sie stürzt mit furchtbarer Stimme
Auf ihren Raub sich los,
Vertilgt in Einem Grimme
Den Reiter und sein Roß.
Sie liebt die höchsten Spitzen,
Nicht Schloß,' nicht Riegel kann
Vor ihrem Anfall schützen,
Der Harnisch — lockt sie an.
Sie bricht wie dünne Halmen
Ten stärksten Baum entzwei,
Sie kann das Erz zermalmen,
Wie dicht und fest es sei.
Und dieses Ungeheuer
Hat zweimal nie gedroht —
Es stirbt im eignen Feuer,
Wie's tödtet, ist es todt.
Schiller.
38. Charade.
Durch dunkle Nacht drängt sich das erste Silbenpaar,
Auf zartem Weiß stellt sich das Zweit' am Schönsten dar,
Mög' oft das Ganze dein erwachend Aug' erfreuen
Und ungetrübt die Lust des Lebens dir erneuen.
Schleiermacher.
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