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gehalten, und selbst die, welche sie reden, haben sie zu keiner Zeit, weder durch
Schrift, noch durch Kunst vollkommen zu machen gesucht, indem sie weder die Ge¬
schichte ihrer Vorältern, wie es viele andere Nationen thun, schriftlich verzeichnen,
noch deren Thaten und Leben erheben. Wenn sie auch dieses thun, welches doch
selten geschieht, so brauchen sie vielmehr die Sprachen anderer Völker, das ist der
Lateiner oder Griechen. Sie hüten sich, in diesen schlecht zu schreiben und scheuen
es in Nr ihrigen nicht; sie getrauen sich nicht, in den erstern durch einen Buchstaben
gegen die Kunst zu verfehlen, und in ihrer eigenen geschieht es bei jedem Worte.
Eine wunderliche Sache, daß so große Männer alles dieses fremden Sprachen zu
Ehren thun, und die eigene nicht schreiben können." Billig sollte, wer ans Volk
reden und schreiben muß, sich vorher die Gabe der Volksfaßlichkeit erwerben. Es
sollte jeder Staatsbürger seine Meinung verständlich vortragen lernen in münd¬
licher Rede und Schruft. Wer die Muttersprache gründlich gelernt hat, findet sich
leichter in allen anderen Sprachen zurecht; zu den Büchern der Welt sieht der
Zugang ihm frei und offen.
Gesang einer lebendigen Sprache übertönt das blose Lautwerden einer
nur lebenden. Dichtungskraft und schöne Singbarkeit schmücken die unsere mit
ursprünglicher Schönheit. Der zu bescheidene Deutsche glaubt sich nur selbst
sein Gutes nicht, traut kaum sogar der That. Die Aussage eines Fremden, den
ein deutscher Mann abgehört hat, wird hoffentlich Selbstvertrauen und Selbst-
zuversicht stärken.
Schon vor einigen Jahren wunderte sich ein welscher Tonkünstler über das
Vorurtheil der Deutschen gegen die Geschicklichkeit ihrer Sprache zum hohen lyri¬
schen Gesänge und zur musikalischen Sprechkunst. Er behauptete, der Vorzug der
welschen Sprache vor der unsrigen in Absicht auf die Singbarkeit sei lange nicht
so groß, als man sich einzubilden pflege. Denn damit eure Sprache musikalisch
sei, käme es weniger darauf an, daß sie sich wegen häufiger A, E und O leicht
aussprechen und singen lasse, als darauf, daß sie alle Arten von Bildern, Bewe¬
gungen, Empfindungen und Leidenschaften durch Worte, (dw dem Ohre etwas mit
dem Gegenstände Uebereinsümmendes eindrücken) zu bezeichnen geschickt sei. Und
dies als einen unleugbaren Grund vorausgesetzt, würde es bet näherer Verglei¬
chung schwer fallen, zu entscheiden, welche von beiden Sprachen zur dramatischen
Musik die tauglichste wäre. Die unsrige besitzt eine Menge nachahmender Töne,
eine Menge von sanften und einen noch größeren Reichthum au schallenden, präch¬
tigen, den majestätischen und furchtbaren Auftritten in der Natur, und den stärkern
Bewegungen der Seele angemessenen Worten und Ausdrücken; so daß ein ver¬
ständiger Tonsetzer das, was sie vielleicht an Weisheit und Süßheit gegen die
welsche verliere, an der Stärke und dem Nachdrücklichen, so sie vor derselben voraus
habe, reichlich wieder gewinnen könne. Kürz, unvecblendet von Parteilichkeit für
seine Muttersprache, behauptete dieser einsichtsvolle Mann, es werde nur darauf
ankommen, daß ein deutscher Dichter (der sich seiner Sprache zu bedienen wisse
und die Kunst besitze, so viel Wohlklang und Takt in seine Verse zu bringen, daß
das blose Sprechen derselben schon eine Art von Musik sei) sich mit einem Ton¬
setzer vereinige, der den Dichter völlig empfinde und verstehe, und in seinem Fache
das sei, was Jener in dem seinigen: so würden sie der deutschen Sprache und
Musik einen Triumph verschaffen können, von dessen bloser Möglichkeit sich viel¬
leicht die wenigsten deutschen Dichter etwas träumen ließen.
Und dieses Vorzugs voc andern Völkern wollten wir uns nicht zu einer Ueber-
legenheit bedienen? Unsere alten Barden haben Wunder mit einer ungebildeten
Sprache gethan, anderthalb Jahrtausend darauf Lacher mit einer verwahrlosten.