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10 Kaum erblickt es der Held: „Dort" rief er, „wollen wir rasten, 
dort im festen Gelaß den ermüdeten Leib zu erquicken." 
Denn seitdem der Flücht'ge verließ die avarischen Grenzen, 
hatt' er des Schlafes stärkende Ruh nicht anders gekostet, 
als auf den Schild nur gelehnt, mit kaum geschlossenen Augen. 
i5 Nun warf von sich die kriegrische Last der tapfere Recke, 
und ihr lehnend das Haupt in den Schoß, ermahnt' er die Jungfrau: 
„Habe nun sorgsam acht, Hiltgund! Und siehst du von fernher 
dunkles Staubgewölk auswirbeln, wecke mich leis dann, 
schmeichelnd mit zarter Hand; ja sähest du auch in gewalt'gen 
so Scharen sich nahn die Feinde, so scheuche den Schlummer vom Auge, 
doch nicht allzujäh. Vielteure! Denn weithin erkennbar 
ist ja rings dem Auge dein, dem klaren, die Gegend." 
Also sprach jung Walther und schloß die leuchtenden Augen. 
Aber als Günther im Sand wahrnimmt die Spuren der Wandrer, 
25 treibt er sein schnaubendes Roß mit schärfer stachelnden Sporen. 
„Auf denn," so tönet sein Ruf durch die Luft aus jubelndem Herzen, 
„aus denn, ihr Mannen, geeilt! Noch heute sollt ihr ihn sahen! 
Nimmer soll er entfliehen mit seinen gestohlenen Schätzen!" 
Hagen jedoch entgegnet', der edle, frei dem Gebieter: 
30 „Eins nur mach' ich dir kund, mein Herr und tapferster König: 
hättest so oft als ich du Walthern gesehen im Kampfe, 
wie er immer aufs neu anhebt mordwütend die Feldschlacht, 
nimmer dann schien' es so leicht dir, ihm abzujagen die Beute. 
Wo auch immer die Hunnen bekriegten die Völker des Erdrunds, 
35 dort stand Walther, ein Schrecken dem Feind, den Genossen ein Wunder. 
Glaub', o König, o glaubt mir, ihr Herrn, ich weiß, wie gefährlich 
der den Schild zu führen versteht und die Lanze zu schleudern." 
Günther jedoch verstocktes Sinns ließ nimmer sich warnen. 
Also nahten sie bald zuhauf der bergenden Felsschlucht. 
40 Aber von Bergeshöh umspähend gewahrete Hiltgund 
jetzt am wirbelnden Staub ihr Nahn, und mit leiser Berührung 
mahnt sie sanft den Schläfer; der richtet verwundert das Haupt auf, 
streichend vom Auge hinweg die grauen Schleier des Schlafes. 
Schnell dem Fragenden kündet die Maid, daß Reiter herannahn; 
45 mählich kleidet er wieder in Erz die nervigen Glieder, 
nimmt den gewichtigen Schild zur Hand und die wuchtige Lanze, 
schwingt im Sprunge den Stahl, die leichten Lüfte durchschneidend, 
prüfend zum bittern Kampf die Waffen im flüchtigen Vorspiel. 
Siehe, da schauet die Maid schon nahe den Schimmer der Speere, 
50 und vom Schreck übermannt, sinkt laut sie klagend zu Boden: 
„Wehe, die Hunnen sind da. Nun fleh' ich, teurer Gebieter, 
zücke dein Schwert, schlag ab mir das Haupt, daß nimmer ein andrer, 
kann ich dein nicht werden, mich jemals zwinge zum Ehbund!" 
„Soll unschuldiges Blut mich beflecken?" erwidert der Jüngling.
	        
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