Full text: Auswahl deutscher Dichtungen von dem Nibelungenliede bis zur Gegenwart (Abtheilung 1)

353 — 
Das Unwandelbare. 
„Unaufhaltsam enteilet die Zeit.“ — Sie sucht das Beständ'ge. 
Sei getreu, und du legst ewige Fesseln ihr an. 
Unsterblichkeit. 
Vor dem Tod erschrickst du! Du wünschest, unsterblich zu leben? 
Leb' im Ganzen! Wenn du lange dahin bist, es bleibt. 
Zweierlei Wirkungsarten. 
Wirke Gutes, du nährst der Menschheit göttliche Pflanze; 
Bilde Schönes, du streust Keime des Göttlichen aus. 
Pflicht für Jeden. 
Immer strebe zum Ganzen! und kannst du selber kein Ganzes 
Werden, als dienendes Glied schließ' an ein Ganzes dich an! 
Der Schlüssel. 
Willst du dich selber erkennen, so sieh', wie die Andern es treiben. 
Willst du die Andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz. 
Jreund und Teind. 
Theuer ist mir der Freund; doch auch den Feind kann ich nützen: 
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll. 
Güte und Größe. 
Nur zwei Tugenden gibt's. O, wären sie immer vereinigt, 
Immer die Güte auch groß, immer die Größe auch gut! 
Deutscher Genius. 
Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit! 
Beides gelang dir; doch nie glückte der gallische Sprung. 
Der epische Hexrameter. 
Schwindelnd trägt er dich fort auf rastlos strömenden Wogen: 
Hinter dir siehst du, du siehst vor dir nur Himmel und Meer. 
Das Distichon, 
Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule; 
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. 
Die achtzeilige Stanze. 
Stanze, dich schuf die Liebe, die zärtlich schmachtende — dreimal 
Fliehest du schamhaft und kehrst dreimal verlangend zurück. 
Paldamus, Lesebuch III. 2. a., 2. Aufl. 23
	        
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