Full text: Auswahl deutscher Dichtungen von dem Nibelungenliede bis zur Gegenwart (Abtheilung 1)

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Nicht, was die Czaaren einst gethan Und vor des Tempels Halle dort, 
In machtvollkommnem Blutgesüst — Wo man jetzt fromm die Knie beugt, 
Auch nicht, wie sie dem Tartarchan Dort seh' ich ihn, das ist der Ort, 
Feig des Gewandes Saum geküßt. Wo ihn des Schicksals Hand erreicht! 
Noch an des Thurmes Spitze steht 
Der Halbmond unters Kreuz geschmiegt, Und als nun lodernd lichterloh 
Als Zeichen, daß hier der Prophet Die Flamme durch die Zinnen brach, 
Vom Christenheiland ward besiegt. And alles rannte, alles floh, 
Und Mosqua wüst und öde lag — 
Und als Verderben fern und nah 
Die Windsbraut in die Flammen blies 
Der Held sein Glück begraben sah, 
Wo es ihm neuen Ruhm verhieß: 
Die Sage geht von anderm Held, 
Sie singt von anderm Nachtgebild:— 
Von ihm, der einst die ganze Welt 
Erschütterte mit Schwert und Schild — 
Der Schrecken und Verwüstung weit 
Umher durch alle Lande trug, 
Der Sieger blieb im Herrscherstreit 
Und alles Volk in Bande schlug. 
Da ließ er stumm die Czaarenburg, 
Des Frankenglückes Riesengrab, 
Und stürmte trüb die Straßen durch, 
Wo ihn Vernichtung rings umgab. 
Wie eine Sonne sah man ihn Durch Flammen kracht's, es heult der 
Einst aus dem Meere auferstehn, Sturm, 
Wie eine Sonne sah man ihn Wild drängt und wogt es buntgeschart, 
Im Meere wieder untergehn. Das alles sah der hohe Thurm 
Sein Haupt umschlang ein Strahlen- Und hat es treulich aufbewahrt. 
kranz, 
Doch streng und kalt sein Gesicht, Das Bild verseswand. die Glocke schwieg, 
Er hatte all der Sonne Glanz: Das Wort nur konnt' ich noch verstehn: 
Nur ihre Wärme hatt' er nicht! „Was groß geworden durch den Krieg, 
Muß durch den Krieg anuch nutergehn.“ 
Dort durch die heil'ge Pforte her, Und klang in mir noch lange Zeit 
Wo man jetzt fromm die Mütze zieht, Die Thurmesmär' im Glockenton, 
Zog's brausend und gewitterschwer: Ein Grabgesang der Herrlichkeit 
Er naht — und vor ihm alles flieht! Vom Frankenfürst Napoleon. 
Klaus Groth. 
(1819.) 
Min Modersprak. 
Min Modersprak, wa klingst du schön! Ik föhl mi as en lüttjet Kind, 
Wa bist du mi vertrut! De ganze Welt is weg. 
Weer ok min Hart as Stahl un Steen, Du pust mi as en Vasrjahrswind 
Du drevst den Stolt herut. De kranke Boss )) torecht. 
Du bögst min siwe Nack so licht 
Als Moder mit ern Arm, 
Du fichelst mi umt Angesicht, 
Un still is alle Larm. 
Min Obbe?) folt mi noch de Hann' 
Un seggt to mi: Nu bö! 
Un „Baderunser“ fang ik an, 
As ik wul fröher dẽ. 
1) Brust. — 2) Großvater.
	        
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