Vorwort zur achten Auflage.
Der Umfang der vorliegenden achten Auflage ist gegenüber der siebten
um ein Drittel starker geworden. Dies ist zum größeren Teile die Folge
davon, daß der Versuch gemacht worden ist, die Dichtung der Gegenwart
in ihren bedeutendsten Vertretern den Primanern näher zu bringen. Dies
erschien als Pflicht sowohl gegenüber den Dichtern unserer Tage, deren
Werke eine reiche Fülle des Eigenartigen und Schönen bieten, wie auch
gegen die Schüler der oberen Klassen, die das berechtigte Verlangen hegen,
denjenigen Dichtungen nicht fremd zu bleiben, in denen das Empfinden
unserer Zeit seinen stärksten Ausdruck findet. So sind denn außer Liliencron
35 Dichter der neuesten Zeit ausgenommen worden. Ich bin mir des
subjektiven Charakters der Auswahl lebhaft bewußt und weiß, daß gerade
dieser Teil des Lesebuches bei späteren Auflagen Veränderungen erfahren
wird. Ich werde für Ratschläge und Wünsche nach dieser Richtung hin
dankbar sein.
Von älteren, bisher noch nicht vertretenen Dichtern sind neu auf¬
genommen: Clemens Brentano, Franz Grillparzer, Wilhelm Hertz, Friedrich
Theodor Bischer, Johann Georg Fischer, Karl Weitbrecht, Wilhelm Jensen,
Hermann Allmers, Klaus Groth.
Bei einem Teile der bereits vertretenen Dichter, u. a. bei Eduard
Mörike, Heinrich Heine, Nikolaus Lenau, Annette von Droste-Hülshoff,
Theodor Storm, Konrad Ferdinand Meyer, Detlev von Lilieneron, schien
eine größere Anzahl charakteristischer Proben erwünscht; ebenso bei den
Volksliedern, die nunmehr den ersten Anhang bilden. Den größten Zuwachs
hat die Zahl der Dichtungen Goethes erfahren; sie sind chronologisch ange¬
ordnet worden, um den Primaner an der Hand dieser Dichtungen durch
Goethes Leben zu führen. Im übrigen darf ich für die getroffenen Ände¬
rungen ans das Inhaltsverzeichnis hinweisen, in welchem die neuaufgenom¬
menen Gedichte durch ein Sternchen bezeichnet sind.
Die Dichtungen des 16. und 17. Jahrhunderts werden in der Sprache
und Rechtschreibung ihrer Zeit gegeben, auch deshalb, weil es schien, daß
bei manchem dieser Dichter der barocke Charakter durch jenes eigenartige
Äußere stärker in die Erscheinung treten dürfte.
Die Texte sind neu verglichen und mit den erforderlichen biblio¬
graphischen Angaben versehen worden.
In den Fußnoten werden die nötigsten sprachlichen und sachlichen
Mitteilungen gemacht, um den Primanern bei der häuslichen Lektüre das
Verständnis der Dichtungen zu erleichtern.
Meinen hiesigen Ämtsgenossen, den Herren Prof. Braubach und
Prof. Schröder, bin ich für ihren Rat und ihre tatkräftige Hilfe zu beson¬
derem Dank verpflichtet.
Bonn, im November 1909.
Genniges.