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Dis klassische Zeit 
5 Und still anbetend da, wo die Zukunft ist, 
nicht mehr hinaufblickst; wenn mein er- 
sungner Ruhm, 
die Frucht von meiner Jünglingsträne 
und von der Liebe zu dir, Messias, 
Nun auch verweht ist oder von wenigen 
10 in jene Welt hinübergerettet ward; 
wenn du alsdann auch, meine Fanny 
lange schon tot bist und deines Auges 
Stillheitres Lächeln und sein beseelter Blick, 
auch ist verloschen; wenn du, vom Volke 
nicht 
iS bemerket, deines ganzen Lebens 
edlere Taten nunmehr getan hast, 
Des Nachruhms werter als ein unsterb¬ 
lich Lied; 
ach, wenn du dann auch einen Beglückteren 
als mich geliebt hast (laß den Stolz mir, 
so einen Beglückteren, doch nicht Ediern): 
Dann wird ein Tag sein, den werd' ich 
auferstehn! 
Dann wird ein Tag sein, den wirst du auf¬ 
erstehn! 
Dann trennt kein Schicksal mehr die 
Seelen, 
die du einander, Natur, bestimmtest. 
25 Dann wägt, die Wagschal' in der ge¬ 
hobnen Hand, 
Gott Glück und Tugend gegeneinander 
gleich; 
was in der Dinge Laus jetzt mißklingt, 
tönet in ewigen Harmonien! 
Wenn dann du dastehst, jugendlich auf¬ 
erweckt, 
30 dann eil' ich zu dir, säume nicht, bis mich erst 
ein Seraph bei der Rechten fasse 
und mich. Unsterbliche, zu dir führe. 
Dann soll dein Bruder, innig von mir 
umarmt, 
zu dir auch eilen; dann will ich tränenvoll, 
voll froher Tränen jenes Lebens, 35 
neben dir stehn, dich mit Namen nennen 
Und dich umarmen! Dann, 0 Unsterb¬ 
lichkeit, 
gehörst du ganz uns! Kommt, die das 
Lied nicht singt, 
kommt, unaussprechlich süße Freuden, 
so unaussprechlich,alsjetztmeinSchmerzist! 40 
Rinn unterdes, 0 Leben! Sie kommt 
gewiß, 
die Stunde, die uns nach der Zypresse ruft! 
Ihr andern seid der schwermutsvollen 
Liebe geweiht und umwölkt und dunkel! 
3. Hermann und Thusnelda (1752). 
Ha, dort kömmt er mit Schweiß, mit 
Römerblute, 
mit dem Staube der Schlacht bedeckt! So 
schön war 
Hermann niemals! So hat's ihm 
nie von dem Auge geflammt! 
Komm! Ich bebe vor Lust: reich mir den 
Adler 5 
und das triefende Schwert! Komm, atm' 
und ruh' hier 
aus in meiner Umarmung 
von der zu schrecklichen Schlacht! 
Ruh' hier, daß ich den Schweiß der Stirn 
abtrockne 
und der Wange das Blut! Wie glüht die 
Wange! 10 
Hermann, Hermann, so hat dich 
niemals Thusnelda geliebt! 
Selbst nicht, da du zuerst im Eichen¬ 
schatten 
mit dem bräunlichen Arm mich wilder 
faßtest! 
Fliehend blieb ich und sah dir 15 
schon die Unsterblichkeit an,
	        
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